Enfant Terrible

Enfant Terrible

Er geht dahin, wo es wehtut: Biopic über Rainer Werner Fassbinder, der mit seinen Filmen und seiner Art für Aufsehen sorgte.

29.09.2020

Von Madeleine Wegner

Ihr habt alle Angst, euch dreckig zu machen. Aber einer muss hier das Arschloch sein“, sagt der Mann mit dem fettigen Haar, zotteligem Schnäuzer und einer Wampe, die unter halb offenem Hemd hervorlugt. Ein Mann, der in gerade einmal 37 Lebensjahren mehr als ebenso viele Filme schuf und zur großen deutschen Filmikone der Nachkriegszeit wurde.

In seinen Filmen – ob Melodram oder von schwarzem Humor durchdrungen – arbeitete sich Rainer Werner Fassbinder an der deutschen Geschichte, an der Gesellschaft, an den Träumen, am Scheitern kleiner Leute und vor allem an sich selbst ab. Er schaute und zeigte dorthin, wo es wehtat: „Ich provozier ganz gern. Sonst bewegt sich nämlich nichts.“

Mit „Enfant Terrible“ hat Oskar Roehler dieser Filmikone ein erstaunliches Denkmal gesetzt. Er beginnt im Jahr 1967, als der 22-jährige Fassbinder zum Antitheater München kommt, um dort die Regie an sich zu reißen. Er endet mit dem Tod des 37-Jährigen 1982 in München.

In den 15 Jahren dazwischen sieht man einen Getriebenen, der nie zu schlafen scheint, tagsüber Filme macht, abends Drehbücher schreibt, nachts in Schwulenclubs unterwegs ist. Koks, Kippen und der „Clan“, den er um sich schart, sind seine ständigen Begleiter.

Er lockt Menschen an, macht sie von sich abhängig, quält, liebt und verachtet sie. Er macht unzählige Filme, will Ruhm ernten und zu den ganz Großen gehören. Steckt Buh-Rufe ein und weint angesichts der Anerkennung, die er endlich in Cannes und später auch in Berlin erhält.

„Jeder kaputte Held seiner Geschichten, der an sich selbst zugrunde ging, war ein Teil von ihm selbst. Und mit jedem von ihnen starb er selbst ein Stück. Am Ende ist er zu Kreuze gekrochen, wie richtige Rock and Roller dies tun, ausgebrannt und sein Leben in Scherben und ungeheuer einsam“, schreibt Roehler in einem Statement zum Film.

Mit Oliver Masucci („Er ist wieder da“, „Werk ohne Autor“, Serie „Dark“) hat er einen beeindruckenden Schauspieler gefunden, der sich die Rolle des Rainer Werner Fassbinder geradezu einverleibt und mit großer Intensität verkörpert.

Bemerkenswert ist auch die Kulisse des Films mit dem teilweise aufgemalten Inventar. Vieles wirkt wie im Theater. Damit hat Roehler eine besonders passende Form gefunden. Alles in Fassbinders Leben und Schaffen– auch und besonders das Private – erscheint hier als öffentliche Handlung.

Findet eine bemerkenswerte Form, um einen so facettenreichen Menschen und dessen Werk zu porträtieren.

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