Tübingen · Schuldoku

Ein Hard-Rock-Fan im Klassenzimmer

„Herr Bachmann und seine Klasse“ zeigt, wie spannend das ganz normale Leben sein kann, sogar an einem Wintermorgen in der hessischen Provinz.

17.09.2021

Von Dorothee Hermann

Dieser Lehrer (der Pädagoge Dieter Bachmann, mit schwarzer Strickmütze und Kapuzenpulli) lockert die Schulatmosphäre auf vielerlei Weise auf und bleibt dabei fast immer gelassen.Bild: Grandfilm

Dieser Lehrer (der Pädagoge Dieter Bachmann, mit schwarzer Strickmütze und Kapuzenpulli) lockert die Schulatmosphäre auf vielerlei Weise auf und bleibt dabei fast immer gelassen.Bild: Grandfilm

Es kann so einfach sein, eine ziemlich gemischte Klasse zu unterrichten, statt erstmal einen Sack voller Probleme zu wittern. Herr Bachmann (jeden Tag mit einer anderen Strickmütze auf dem Kopf) bringt eine große Gelassenheit mit und hat jede und jeden seiner Schüler im Blick.

Der Pädagoge hat nicht etwa ein neuartiges Wunderkonzept. Er macht einfach seinen Job, und zwar nicht an einer hippen Modellschule in der Großstadt, sondern ziemlich abseits in der hessischen Provinz. Allerdings greift er öfter mal zur Gitarre.

Weitere Instrumente und ein Schlagzeugset sind vorhanden. Und der Stimmung in der Klasse tut es offenbar gut, wenn alle mal zusammen jammen. Jonglieren geht in diesem Schulzimmer auch – zur Entspannung zwischendurch und zur Förderung der Koordinationsfähigkeit.

Herr Bachmann ist auch keiner, der Probleme herunterspielt. Er nimmt sich Zeit für Gespräche mit Schülern und Eltern. Denn am Ende des Schuljahrs geht es um die Wurst: den Übergang auf die weiterführende Schule. Ob das Schulsystem schon so weit ist, so differenziert hinzuschauen wie der Ausnahmelehrer, bleibt die Frage.

Er ist ein lockerer Typ, der nach dem Soziologiestudium noch einen Lehramtsabschluss draufgesetzt hat, weil plötzlich Geld für zwei Kinder hereinkommen musste.

Klar gibt es auch in in dieser Klasse Konflikte, aber es geht doch immer irgendwie weiter. Staunend registriert man die atemberaubenden Fortschritte von Stefi aus Bulgarien, die so gern singt, erst seit ein paar Monaten in der Bundesrepublik ist und schon auf Deutsch ein spannendes Hexenmärchen schreibt.

Die Filmemacherin Maria Speth dokumentiert nicht bloß den Alltag einer sechsten Klasse, die mit ihrem Lehrer Glück hat. Sie bezieht die Migrationsgeschichte der Gegend ein, wo die Nationalsozialisten Zwangsarbeiter für die Sprengstoffproduktion ausbeuteten, und Anfang der 1960er Jahre türkische Gastarbeiter eintrafen. Plötzlich bekommen die Jugendlichen einen ganz anderen Hintergrund, statt scheinbar wie aus dem Nichts in der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft aufzuschlagen.

Der außergewöhnliche Dokumentarfilm macht vor, wie spannend das ganz normale Leben sein kann. Es braucht nur ein bisschen Geduld, Gelassenheit und Empathie. (Ab 0; Arsenal)

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Erstellt:
17.09.2021, 18:13 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 03sec
zuletzt aktualisiert: 17.09.2021, 18:13 Uhr

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