Drei Gesichter

Drei Gesichter

Ein außergewöhnliches iranisches Roadmovie, das ein Bild einer Gesellschaft zwischen Schicksal und Tradition liefert.

23.12.2018

Von Madeleine Wegner

„Auf Sie würde meine Familie hören, sie kennt Ihre Filme“, sagt das Mädchen in die wacklige Kamera. „Ich sehe keinen Ausweg mehr“, schluchzt sie schließlich. Die junge Frau legt sich eine Schlinge um den Hals, wenig später fällt das Handy zu Boden. Verstört und ungläubig sieht sich Behnaz Jafari das Video immer wieder und wieder an. Wegen dieses Hilferufs hat die Schauspielerin ihre Dreharbeiten abgebrochen und macht sich nun auf die Suche nach dem Mädchen. Hat es sich aus Verzweiflung wirklich das Leben genommen?

Offiziell darf der iranische Regisseur Jafar Panahi keine Filme machen. Das Drehbuch zu „Drei Gesichter“, das Panahi zusammen mit Nader Saeivar erarbeitet hat, wurde in Cannes ausgezeichnet. Für diesen vierten Film, den er trotz Berufsverbots gedreht hat, kehrte er zu seinen Wurzeln zurück, in die Region seiner Vorfahren. Im Nordwesten des Landes leben die Menschen in ihren Bergdörfern sehr traditionell.

Panahis Roadmovie, das in Tübingen bereits beim Arabischen Filmfestival im Oktober Premiere feierte, wirkt szenenweise wie ein Dokumentarfilm. Tatsächlich spielt sich die im Iran populäre Schauspielerin Behnaz Jafari selbst, ebenso wie Jafar Panahi („Taxi Teheran“), der hier als Filmemacher, Fahrer und Unterstützer zu sehen ist. Er hält sich im Hintergrund und überlässt den Frauen die Leinwand.

Auf der Suche nach dem verzweifelten Mädchen Marziyeh (Marziyeh Rezaei) begegnen die beiden Reisenden skurrilen Gestalten und erleben sowohl die große Gastfreundschaft, aber auch die Skepsis der Dorfbewohner. Das Gesicht der dritten Generation zeigt sich nie: Die Künstlerin Shahrzad, eine Ikone des vorrevolutionären Kinos, lebt ausgestoßen aus der Gemeinschaft abseits des Dorfes. Sie ist nur von hinten oder als Schattenriss zu erahnen. Auch darüber hinaus ist das sich langsam entwickelnde Drama symbolisch aufgeladen: Ein zusammengebrochener Zuchtbulle versperrt den Weg in die Stadt. Ein alter Mann setzt alle Hoffnung in die Großstadt: Dort soll die Vorhaut seines Sohnes vergraben werden, die er 38 Jahre lang aufgehoben hat – angeblich wird dann etwas aus seinem Sprössling.

Langsam erzähltes Roadmovie. Hier prallt dörfliche Gesellschaft auf resoluten Freiheitswillen.


Drei Gesichter