Die Poesie der Liebe

Die Poesie der Liebe

Die Witwe eines gefeierten Schriftstellers berichtet vom gemeinsamen Leben in Paris und offenbart ein gut gehütetes Geheimnis.

18.12.2018

Von Madeleine Wegner

Die Poesie der Liebe
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Von zwei Leben und auch von der Zeit, in der sie gemeinsam gelebt wurden, erzählt der Abschlussfilm der diesjährigen Französischen Filmtage. Im Original heißt das Werk wie seine Protagonisten „Monsieur & Madame Adelman“, der deutsche Titel lautet „Die Poesie der Liebe“. Die französisch-belgische Produktion, bei der Hauptdarsteller Nicolas Bedos erstmals auch Regie führte, nimmt die Zuschauer mit hinein in die Geschichte eines Paares, das sich im Studentenleben in den frühen 1970er-Jahren in Paris findet. Und die mit einer Beerdigung in der Gegenwart endet. Die mehr als 40 Jahre dazwischen sind geprägt von einer Beziehung, die mal liebevoll, zuweilen zerstörerisch, ab und zu lustig, oft produktiv und in der vor allem
vieles anders ist, als es auf den ersten Blick scheint.

Dem zunächst völlig erfolglosen Schriftsteller Victor (Nicolas Bedos) gelingt eines Tages ein Bestseller, der das Paar aus dem armen, aber wilden Leben der Bohème in ein bourgeoises Oberschicht-Dasein katapultiert. Bei der Beerdigung von Victor, mit der dieser Film beginnt, erzählt seine Witwe Sarah (Doria Tillier) einem Journalisten ihre Version des gemeinsamen und nun vergangenen Lebens. Die Beziehungsprobleme spart sie dabei ebensowenig aus wie die Wahrheit über den schriftstellerischen Erfolg ihres Mannes, an dem sie viel größeren Anteil hatte, als für Außenstehende sichtbar war.

Ihre Erzählung, in zwölf Kapiteln mit dem Stilmittel der Rückblende ins Bild gesetzt, fällt schonungslos aus – für sie selbst ebenso wie für ihn. Die beiden Kinder des Paares sind kaum mehr als lästige Staffage in ihrem Intellektuellen-Dasein. Außereheliche Affären, Drogenkonsum und die Rollen, die beide nach außen spielen und die längst nicht immer mit ihren
wahren Empfindungen übereinstimmen, bringen das Paar immer wieder an seine Grenzen. Doch voneinander lassen können sie auch nicht.

Das private Beziehungsdrama wird immer wieder auch in einen gesellschaftlichen Kontext gerückt, in dem die politischen Ereignisse in Frankreich im jeweiligen Zeitabschnitt aufblitzen.

Jeder Lebensabschnitt präsent

Das Ganze ist meisterhaft umgesetzt. Der filmische Alterungsprozess des Paares über nahezu ein halbes Jahrhundert ist derart überzeugend, dass man sich als Zuschauer irgendwann unwillkürlich fragt, wie alt die beiden Hauptdarsteller wohl in Wirklichkeit sein mögen (er war bei den Dreharbeiten 36, sie 30 Jahre alt und beide auch im Privatleben ein Paar, das Drehbuch haben sie gemeinsam verfasst). Es ist nicht allein das Verdienst der Maskenbildner, auch die beiden Hauptdarsteller spielen jeden Lebensabschnitt mit großer Präsenz und Überzeugungskraft. Ebenfalls zu überzeugen vermag die Bildsprache, die unaufdringlich mit vielen  Details  den  authentischen Eindruck dieses Films unterstützt.

Die Beziehungschronik wird vor allem in Dialogen zwischen den beiden entfaltet, was zum romanhaften Inhalt ebenso passt wie zur Bedeutung der Literatur in diesem Film. Gelegentlich würde man sich wünschen, dass der Film den Fokus etwas weiten würde, zumal die nur andeutungsweise auftauchenden Randfiguren dieser Geschichte durchaus vielversprechend angelegt sind. Dass nach all den Aufs und Abs der Beziehung auch der Film am Schluss eine überraschende Wendung nimmt, die vieles in einem anderen Licht erscheinen lässt, wirkt etwas zu gewollt. Dennoch ein sehenswertes Werk zum Abschluss der diesjährigen Französischen Filmtage.

Lädt ein zu einer Reise durch ein halbes Jahrhundert an der Seite eines ambivalenten Künstler- und Liebespaares.

Unter dem Originaltitel „Monsieur & Madame Adelmann“ war das Drama bereits im Herbst 2018 als Abschlussfilm bei den Französischen Filmtagen in Tübingen zu sehen.


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Erstellt:
18.12.2018, 13:34 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 44sec
zuletzt aktualisiert: 18.12.2018, 13:34 Uhr

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