Die Maske

Die Maske

Bitterböse polnische Satire um einen jungen Mann, der bei einer Not-Operation ein neues Gesicht erhält.

12.03.2019

Von Madeleine Wegner

Fahle Gesichter blicken gespenstisch stumm und teilnahmslos in die Leere. Diese Menschen könnten im Morgengrauen in der U-Bahn stehen und zur Arbeit fahren. Oder im Wartezimmer eines Amtes auf eine Bescheinigung hoffen. Doch kaum gehen die Türen auf, reißen sie sich die Kleider vom Leib und stürzen sich halb nackt auf die Sonderangebote in einem Elektronikmarkt. „Weihnachtsschnäppchen für Nackedeis“ steht auf dem Werbe-Schild an der Tür.

Es ist die befremdliche wie bezeichnende Eingangsszene von Malgorzata Szumowskas („Das bessere Leben“) Satire „Die Maske“, in der sie der polnischen Gesellschaft offenbar einen Spiegel vors Gesicht halten will. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Jacek (Mateusz Kosciukiewicz). Lange Haare, Tattoos, Heavy-Metal-Fan, verschmitztes Grinsen und glücklich verliebt. In Dagmara (einnehmend: Malgorzata Gorol) scheint er die perfekte Partnerin in dem muffigen Dorf gefunden zu haben. Gemeinsam machen sie einfach ihr Ding, tanzen, als ob es keinen Schlager gäbe, und grölen betrunken ihren Frust der nächtlichen Leere entgegen.

Jacek wird von den Kindern im Dorf als Satanist beschimpft. Wie viele andere Männer im Dorf arbeitet er an der riesigen Christus-Statue. Das gigantische Bau-Projekt wird durch Spenden der Dorfbewohner finanziert. Auf polnischem Boden soll hier die größte Christus-Figur weltweit entstehen. Doch während der Arbeit an dem göttlichen Beton-Rumpf stürzt Jacek eines Tages ab und verletzt sich schwer. Sein Leben können die Ärzte nur durch eine Gesichtstransplantation retten. Damit ändert sich für Jacek alles. Fast jeder kennt sein neues, fremdes Gesicht, denn die Medien reißen sich zunächst um ihn. Doch sein eigenes Zuhause entgleitet ihm immer mehr. Dagmara wendet sich schockiert ab, und sogar seine Mutter zweifelt, dass dieser Mensch tatsächlich ihr Jacek ist – und bestellt einen Exorzisten, der ihren Sohn befreien soll.

Szumowska verbindet mit der Gesichtstransplantation und der weltweit größten Christusstatue in Polen zwei wahre Ereignisse, die an sich nichts miteinander zu tun haben. Die ungewöhnliche Kamera, die meist nur einen winzigen Bildausschnitt fokussiert, während alles andere herum in Unschärfe verschwimmt, unterstreicht den Scheuklappen-Blick vieler Provinzler, die Szumowska hier portraitiert. Daraus könnte eine bitterböse, herrlich schwarzhumorige Satire werden. Großartig sind die fast surrealen Szenen im Film, bezeichnend hingegen die rassistischen Witze beim ausgelassenen Weihnachtsessen im Familienkreis oder die armseligen Schnaps-Gestalten vor dem Dorfladen. Leider bleibt Szumowska an der Oberfläche und wendet sich selbst sogar bald von ihrem entstellten Protagonisten ab.

Könnte eine großartige bitterböse, surreale Satire sein. Leider fehlt es ihr an Fleisch. Dennoch sehenswert.


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