Der seidene Faden

Der seidene Faden

Daniel Day-Lewis lässt sich als meisterlicher Modemacher auf eine junge Frau ein, die sein maßgeschneiderten Lebens ins Wanken bringt.

30.01.2018

Von Madeleine Wegner

Warum sind Sie nicht verheiratet?“ – „Ich mache Kleider.“ Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) ist ein perfekt gepflegter, stilsicherer und entsprechend gut aussehender Mann. Außerdem entwirft er im London der 1950er-Jahre kunstvolle Kleider für die Oberschicht. Doch was hinter dieser glattrasierten Oberfläche steckt, zeigt sich schon bald. Er ist ein Perfektionist, der ausschließlich für seine Kunst lebt. Er ist ein überempfindliches Ekelpaket, das nur sich selbst sieht und aggressiv auf jegliche Störung reagiert.

In seinem Lebensentwurf hat eine Frau auf Augenhöhe daher keinen Platz. Abgesehen von seiner Schwester Cyrill, die Teil seines Lebens ist wie ein treuer, herumschnüffelnder Hund. Doch dann trifft er die junge Alma (Vicky Krieps). Dem Namen nach zu urteilen: eine Seele von Mensch? Vielleicht. Doch auch sie bleibt für den Zuschauer lange undurchschaubar und unnahbar. Und im Grunde ist „Der seidene Faden“ ihre Geschichte. Die in Berlin lebende luxemburgische Schauspielerin Krieps gibt der Figur etwas Ungeschliffenes. Ihre deutsche Synchronstimme hat sie selbst eingesprochen, sie redet manchmal schier unerträglich langsam und erscheint dadurch geradezu zurückgeblieben. Über weite Teile des Films mag man sich fragen: Was will er von ihr? Und warum tut sie sich das an? Es wird zum Gefecht dieses Beziehungsgeflecht zwischen Mann, junger Frau, allgegenwärtiger Schwester und verstorbener Mutter. Doch Alma entwickelt einen äußerst eigensinnigen, starken Umgang mit ihrem Geliebten.

Auch Daniel Day-Lewis glänzt in seiner Rolle, die ihm wie auf den Leib geschnitten scheint. Was zum einen an Day-Lewis‘ großem Können liegt, zum anderen an der Tatsache, dass er die Figur gemeinsam mit Regisseur Paul Thomas Anderson entwickelt hat. Day-Lewis hatte angekündigt, dass dies seine letzte Rolle sein würde. Erneut ist der dreifache Oscar-Preisträger als bester Darsteller nominiert.

„Ich fühle mich vollkommen und ich bin genau richtig“, sagt Alma über die Wirkung von Reynolds Kleidern. Was darüber hinaus die Verbindung zu ihrem Modeschöpfer ausmacht, zeigt das Drama, das sich mehr und mehr zu einem dunkel romantischen Psychothriller entwickelt.

Eine bemerkenswerte Parabel darüber, was ein Paar ausmacht und welche Anstrengungen dazu gehören können.