Der Fall Collini

Der Fall Collini

Elyas M’Barek deckt als junger, unerfahrener Anwalt einen der größten Justizskandale der deutschen Geschichte auf.

16.04.2019

Von Madeleine Wegner

Caspar Leinen kämpft gegen einen unsichtbaren Gegner. Er steht im Boxring, versucht, einen eigenen Rhythmus zu finden und zur richtigen Zeit zuzuschlagen. Der junge Mann ist seit erst knapp drei Monaten Anwalt und bekommt seinen ersten Fall – als Pflichtverteidiger eines Mörders. Als alte Hasen belächeln ihn Staatsanwalt und Richter in seiner Unerfahrenheit und seinem Übereifer.

Doch Caspar Leinen (Elyas M‘Barek) steht vor weit größeren Herausforderungen. Sein Mandant, ein alter Italiener, der 30 Jahre unauffällig in Deutschland gelebt hat, schweigt (starr und stark: Franco Nero als Fabrizio Collini). Völlig ruhig hatte er sich festnehmen lassen – nachdem er Hans Meyer mit drei Schüssen in den Kopf hingerichtet hat. Sein kaputter Absatz hatte eine Blutspur auf dem Fußboden der Hotellobby hinterlassen, so heftig hatte er gegen den Kopf des Toten getreten. Welcher aufgestauten Wut hat der alte Mann hier so gewaltsam Raum gegeben?

Der junge Anwalt Leinen tappt zunächst völlig im Dunkeln – und befindet sich zugleich in einer weiteren Zwickmühle: Er kannte Hans Meyer. Der unerhört reiche Aufsichtsratschef eines Mashcinenbaukonzerns war für Leinen wie ein Ersatzvater. Und dessen Enkelin Johanna war seine große Jugendliebe.

„Der Fall Collini“ von Marco Kreuzpaintner basiert auf dem 2011 veröffentlichten gleichnamigen Roman von Ferdinand von Schirach. Der Bestseller-Autor ist selbst Strafverteidiger und Enkel des ersten NS-Reichsjugendführers. Von Schirach hat selbst nicht am Drehbuch mitgearbeitet – sonst hätte er vermutlich dafür gesorgt, dass die Gerichtsszenen überzeugender gestaltet werden. Es ist immer wieder erstaunlich, welche absurden Floskeln den Prozessbeteiligten in den Mund gelegt und wie realitätsfern Gerichtsverhandlungen auf der Leinwand dargestellt werden.

Schauspielerisch macht Elyas M‘Barek seine Sache gar nicht so schlecht, auch Alexandra Maria Lara überzeugt als Enkelin des Ermordeten. Beeindruckend ist besonders Heiner Lauterbach in der Rolle des routinierten, renommierten Jura-Professors – der zugleich für ein fatales Rechtssystem steht. Die Suche nach dem Motiv der Tat bleibt spannend und führt nach Italien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs.

Sicher, dieser Justizthriller ruft die Gräuel der NS-Taten in Erinnerung und schärft den Blick auf die vermeintliche Aufarbeitung in der Nachkriegszeit. Doch er driftet unweigerlich in eine Theatralik ab, die diesen Themen nicht gerecht wird. Damit stellt sich einmal mehr die Frage: Kann diese Art der filmischen Aufarbeitung überhaupt gelingen?

Stellt gut gespielt und spannend, doch mit einigen Schwächen die Frage nach den eigentlichen Opfern der Geschichte.

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