Das Vorspiel

Das Vorspiel

Nina Hoss spielt in diesem Drama eine Lehrerin, die einen begabten Schüler unterstützt und dafür ihre Familie vernachlässigt.

22.01.2020

Von Madeleine Wegner

Das Vorspiel

Anna Bronsky (Nina Hoss) hätte gerne eine große Karriere als Geigerin gemacht. Aber sie hielt den hohen Anforderungen des Kunstbetriebs nicht stand. Dass sie es nur zur Lehrerin an einem Musikgymnasium gebracht hat, empfindet sie als Versagen. So projiziert sie ihre unerfüllten Träume zunächst auf ihren Sohn, dem es aber trotz vorhandenen Talents am nötigen Fleiß für den ganz großen musikalischen Durchbruch mangelt. Daher wird ein neuer Schüler, dem Anna bei einem Vorspiel gegen das Votum ihrer Kollegen zur Aufnahme an der Schule verhilft, zum Medium ihres Ehrgeizes, in das sie alles investiert. „Es kommt darauf an, dass Du Dir den Ton vorstellst, bevor Du ihn spielst. Sonst ist es nur ein Geräusch“, herrscht sie ihn an.

Was den Film von Regisseurin Ina Weisse auszeichnet, ist die Genauigkeit und Glaubwürdigkeit der Protagonisten. Ob Nina Hoss, Ilja Monti als ihr Geigenschüler, Serafin Mishiev als ihr Sohn Jonas oder besonders auch Simon Abkarian als ihr Ehemann Philippe: Sie alle überzeugen durch ein intensives Spiel und verleihen ihren Figuren Tiefe und Authentizität. Gerade das macht „Das Vorspiel“ für den Zuschauer auch anstrengend. Der zerstörerische Ehrgeiz Annas ist das beherrschende Motiv, das sich als emotionale Eiseskälte und Freudlosigkeit über die gesamte Handlung legt. Als ihr Sohn sich einen Hund wünscht, fertigt Anna ihn mit den Worten ab: „Dein Hund ist Deine Geige.“ Selbst als sie über ihre eigene Übergriffigkeit gegenüber dem vermeintlichen Musterschüler erschrickt, bewirkt das nur kurz ein Innehalten bei Anna. Die wenigen Anwandlungen, sich den Menschen in ihrer Umgebung emotional zuzuwenden, fallen schnell wieder den alten Verhaltensmustern zum Opfer, die ihrer Unzufriedenheit mit sich selbst geschuldet sind.

Ob man den Film als Kritik an einer Leistungsgesellschaft mit Zwang zur Selbstoptimierung versteht, als Demaskierung der zutiefst bürgerlichen Fassade einer Prenzlauer-Berg-Familie oder als Familiendrama, in dem die Lieblosigkeit stets an die nächste Generation weitergegeben wird – Spaß macht nichts davon.

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Erstellt:
22.01.2020, 01:07 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 00sec
zuletzt aktualisiert: 22.01.2020, 01:07 Uhr

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