Auf der Couch in Tunis

Auf der Couch in Tunis

Die provisorische Praxis für Psychotherapie, die Selma in Tunis eröffnet hat, wird bald von bunten, chaotischen Charakteren überrollt.

28.07.2020

Von Dorothee Hermann

Auf der Couch in Tunis

Hat Selma es in Paris etwa zu nichts gebracht? Die Einheimischen können es kaum fassen, als die Psychoanalytikerin (Golshifteh Farahani als Selma) in Tunis eine Praxis eröffnet. „Warum bist du hier, Selma? Alle träumen davon, abzuhauen. Du verarschst uns.“ Besonders ihre junge Verwandte Olfa (Aïsha Ben Miled) versteht überhaupt nicht, wie frau freiwillig in ein Land voller Restriktionen zurückkehren kann, zählt aber gleichzeitig auf Selma als Ratgeberin und Verbündete.

Geschickt dreht die französisch-tunesische Regisseurin Manele Labide die verbreitete Perspektive um, wonach beruflicher Erfolg und Selbstverwirklichung speziell für Frauen ausschließlich im globalen Norden zu finden sind. Die Rückkehrerin mischt die Verhältnisse noch einmal ganz neu auf, muss aber auch selbst kleine Opfer bringen. Doch sie kommt nicht mit leeren Händen und ist überzeugt: „Die Leute wollen reden.“

Damit trifft die Seelenfachfrau offenbar einen Nerv: Ihre Praxis schlägt ein. Sogar Leute, die nach außen hin abschätzig tun (so etwas brauche man in Tunis nicht), kommen vorbei. Dennoch stellen sich Selma immer neue Hürden in den Weg: Sie muss sich anhören, sie ziehe sich an wie ein Kerl; nur Dienstmädchen trügen das Haar kraus. Und ihr Kampf mit der zähen Bürokratie zieht sich als Running Gag durch den Film.

Die erfrischende Culture-Clash-Komödie kommt von den Französischen Filmtagen in die hiesigen Kinos. Sie bringt einem die Menschen jenseits der bekannten Klischees von der Machogesellschaft nahe und präsentiert nebenbei ein Land knapp zehn Jahre nach dem Arabischen Frühling.

So amüsanter wie nachdenklicher Wohlfühlfilm mit sympathischer Protagonistin und überraschenden Pointen.

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Erstellt:
28.07.2020, 15:50 Uhr
Lesedauer: ca. 1min 48sec
zuletzt aktualisiert: 28.07.2020, 15:50 Uhr

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