Fanta 4 & Zucchero · Zwischen HipHop und Balladen

Zwei tolle Abende mit den Fantastischen Vier und der Allstar-Band des Italieners Zucchero

Veranstalter Marc Oßwald verkündete es am Freitag von der Bühne herab: Regen werde es geben, aber kein Gewitter. Ob gewollt oder nicht – damit zitierte er fast wörtlich einen Titel aus der Frühzeit der Fantastischen Vier. Das aber nur nebenbei. Zur Hauptsache: Die Fantastischen Vier erstmals in Tübingen! Welch eine große Sache!

24.07.2017

Von Michael Sturm

Da musste man sich als Hiesige(r) schon zeigen. 6000 passten aufs Gelände, es war ausverkauft. Da flanierte also ein eher gesetztes Publikum (das vorgab, in vielen Jahren mit dem „Hauptäkt“ des Abends mitgewachsen zu sein) zum Konzert und wollte bespielt werden. Dann kommen als Vorband zwei freche Gören daher, das Rap-Duo SXTN, um mit unflätigen Texten über ihr Neuköllner Lebensumfeld, von dem die braven Schwaben und Rei’geschmeckten im Publikum ohnehin nie etwas wissen wollten, letzteren den Abend zu versauen! Ja, heidastuagert!

Dabei fiel nicht ins Gewicht, dass die Vorband von den Fantastischen Vier selbst ausgewählt und in Tübingen gar von Smudo höchst persönlich angesagt wurde. Ein großer Teil des Publikums stand erst pünktlich um acht in einer zunächst recht lang wirkenden Schlange. Ausnahme: Ein aus Ludwigsburg stammendes Pärchen saß direkt an der B 27 und trotzte dem Verkehrslärm. „Von hier sieht man die Bühne und man hört gut. Außerdem ist die Stimmung bestimmt besser als auf den Sitzplätzen“, behauptete Barbara Fleisch. Ihr Freund Christoph Wahlich beantwortete die Wetterfrage: „Wenn es hier regnet, regnet es dort auch.“ Wie wahr.

Die Inszenierung der Fantastischen Vier begann mit dem Auftritt des DJs und Ansagers der Band, ehe die vier Hauptakteure, ihrem Alter entsprechend gemessenen Schrittes, die Bühne enterten: In den nächsten beiden Jahren werden alle vier den 50. Geburtstag gefeiert haben. Ihr Publikum am Freitag war ähnlich alt. Es war schade, dass die jungen Fans der Fantastischen Vier kaum zu sehen waren – und welche Band kann schon von sich behaupten, mehrere Generationen anzusprechen? Mit HipHop!

Der Pfrondorfer Carsten Ulmer „wollte sie immer mal in Stuttgart sehen“, bekam aber nie Karten. Nun sei er wohl einer der ersten gewesen. In Tübingen erlebte er sein erstes Fanta-Vier-Konzert – und war begeistert: „Die spielen eine gute Mischung aus alten und neuen Sachen.“ Gleich zu Beginn „Was geht?“ Danach unter anderem „Lass die Sonne rein“, „Tag am Meer“, „Krieger“, „MfG“, der „Picknicker“ und viele mehr. Es mussten noch nicht einmal Hälse verrenkt werden, zwei Videowände zeigten, was auf der Bühne vor sich ging. An den Essensständen, zwischen Crêpes und spanischen Empanadas, machten drei Mädels aus dem Schwarzwald Party. „Hier haben wir Platz, hier können wir uns gehen lassen“, freute sich die Zavelsteinerin Manuela Knörle.

Die ersten Tropfen fielen. Um halb zehn: Wetterleuchten. Bis zehn tröpfelte es. Unangenehm in kurzen Hosen, oder? Die Horberin Verena Rath schüttelte den Kopf und lachte: „Des isch doch gar net so kalt!“ Doch als es kurz nach zehn zu schütten begann, rannte auch sie – nur schnell weg! Die Fantastischen Vier sollen es noch bis zwanzig nach zehn ausgehalten haben. Die hatten aber auch ein Dach drüber.

Die Grube direkt vor der Bühne war in diesem Jahr an beiden Konzerttagen gut gefüllt. Viele Besucher brachten zum Ausdruck, wie sehr sie es schätzten, den Künstlern auf der Bühne so nahe zu sein, ohne sich wie eine Sardine in der Dose zu fühlen, wie es bei vielen Konzerten junger Bands, vor allem ganz vorne, eben so ist.

Die Pfützen auf dem Gelände waren gerade abgetrocknet, da ging es am Samstagabend weiter. Die Tübinger Bluesrocker Black Cat Bone eröffneten bereits um 20 vor sieben, um ja nicht die Abläufe danach zu stören. Denn kurz nach acht kam Zucchero auf die Bühne. Der galt zu Beginn seiner Karriere als das italienische Pendant zu Joe Cocker: ein Bluessänger mit rauher Stimme, dessen Arme oft nicht wussten, ob sie nun Luft-Bass, oder Luft-Orgel spielen sollten. Ein besonders guter Luft-Gitarrist war Zucchero nie.

Eins muss man dem Italiener lassen: Er hat sich über die Jahre in Musikerkreisen enormen Respekt verschafft. Nach Tübingen kam er mit einer 14 Köpfe starken Band, die vor Können nur so strotzte. Allen voran der viel beschäftigte Bassist Polo Jones, sowie Kat Dyson (Lead-Gitarre, zweite Leadstimme) und Queen Cora Coleman am zweiten Schlagzeug, die aus der früheren Band von Prince den Funk mitbrachten. Und selbstverständlich Brian Auger, der Altmeister der Hammond-Orgel, dem Zucchero für zwei Titel Band und Bühne überließ – so ehrt man wahre Größen des Fachs.

Im Publikum waren fast mehr Frauen als Männer, auch wenn sich etwa der Wurmlinger Armin Müller durch seinen Hut aus der gleichen Manufaktur wie Zucchero als dessen Fan zu erkennen gab. Aber es war ganz klar ein Pärchenkonzert – die Balladendichte im Programm des bärtigen Italieners war hoch: „L’Urlo“, „Diamante“ und die letzte Zugabe, „Senza una donna“, laufen auch hierzulande regelmäßig in den Radios. Dazu kam etwas Oper: In „Miserere“ kam die zweite Stimme von der Leinwand: Zucchero gab dem verstorbenen Luciano Pavarotti die Ehre.