Spaß am Weltuntergang

Zum neuen „Independence Day“-Film gibt es auch eine Biografie über Roland Emmerich

Immer wieder lässt Roland Emmerich in seinen Filmen die Welt untergehen. Nun gibt es eine Biografie über den erfolgreichsten Schwaben in Hollywood.

23.06.2016

Von MAGDI ABOUL-KHEIR

Apocalypse à la Roland Emmerich: In „Independence Day: Wiederkehr“ lässt er Dubai (oben) auf London (unten) stürzen. Foto: Fox

Apocalypse à la Roland Emmerich: In „Independence Day: Wiederkehr“ lässt er Dubai (oben) auf London (unten) stürzen. Foto: Fox

Los Angeles. Hollywood in Sindelfingen? Das schwäbische Spielbergle? Diese Klischees haben Roland Emmerich früher genervt. Wenn er nun mit „Independence Day: Wiederkehr“, mit der Fortsetzung seines Mega-Hits, die Kassen klingeln lassen wird, hat er das alles weit hinter sich gelassen – seit langem gehört er tatsächlich zu Hollywoods Top-Liga.

Aber wie hat ihn das Etikett „Filmbastler“ geärgert! „Es gibt auf der Welt wohl keinen Menschen, der Basteln mehr hasst als ich“, sagte er mal. Und doch: Selbst der Zukunfts-Thriller „Moon 44“, der 1990 seine Eintrittskarte ins Weltkino war, war noch mit günstigen Do-It-Yourself-Tricks in alten schwäbischen Fabrikhallen entstanden. Ja, und er stammt halt aus dem Tüftler- und Macher-Milieu, sein Vater war mit Motorsprühgeräten zu Wohlstand gekommen. Dass Emmerich heute Filme dreht, die zwar teuer sind, aber noch teurer aussehen, passt ebenso zum Cleverle-Image.

1955 in Obertürkheim geboren, in Maichingen aufgewachsen, war er ein introvertriertes Kind, das toll malte und Bücher verschlang. Seine Leidenschaft als Jugendlicher galt der Bildenden Kunst. Aber Film war dann noch reizvoller, und er schaffte es an die Münchner Filmhochschule, wo er als Fan amerikanischer Filme ein Außenseiter war.

Erstes Aufsehen erregte er mit seinem Abschlussfilm. Science Fiction made in Germany? Lachhaft! Doch „Das Arche Noah Prinzip“ kostete nicht die üblichen 20?000 Mark, Emmerich bekam 1,2 Millionen zusammen, die Premiere fand 1984 auf der Berlinale statt. Nicht schlecht für einen Film, der in einer ehemaligen Waschmaschinenfabrik mit Styroporkulissen und Raumschiffen aus Coladosen gedreht wurde.

Schon seinen zweiten Film „Joey“ drehte Emmerich – im Schwabenländle – auf Englisch. Nach „Moon 44“ rief dann tatsächlich ein Hollywood-Produzent an, Mario Kassar. Das erste US-Projekt lehnte Emmerich wegen eines miserablen Skripts ab. Dafür drehte er „Universal Soldier“ (1992): auch kein Traumstoff, aber ein Kassenschlager. Emmerich verband die Hollywood-Arbeitsweise mit seiner familiären Herangehensweise; bis heute produziert seine Schwester Ute seine Filme.

Als Auftrags-Regisseur wollte er nicht arbeiten, sondern eigene Stoffe entwickeln. Der Rest ist Geschichte. In „Stargate“ (1994) setzte er auf Pyramiden-Kult, Wüsten-Action und digitale Tricks, dann räumte er 1996 mit dem Alien-Invasionsfilm „Independence Day“ völlig ab: Bei nur 70 Millionen Dollar Produktionskosten spielte er damals unfassbare 900 Millionen ein, und Trick-Spezialist Volker Engel – mit dem er seit Sindelfinger Zeiten arbeitete – bekam den Oscar. Seitdem muss Emmerich sich „von niemandem mehr etwas vorschreiben lassen“.

Weltuntergänge brachte er noch wiederholt auf die Leinwand, im Klimakatastrophen-Spektakel „The Day After Tomorrow“ (2004) und im apokalyptischen „2012“ (2009), in dem sich Emmerich derart austobt, dass man die Zerstörungsorgie keine Minute ernst nehmen sollte.

Ein vereistes New York; gigantische Raumschiffe, die die Welt verdunkeln; ein Flugzeugträger, der das Weiße Haus zerstört: Emmerich will ikonografische Bilder erschaffen, Effekte seien da nur wichtig, „wenn sie etwas mit der Story zu tun haben.“

Er drehte auch die Monster-Show „Godzilla“ (1998), das Bürgerkriegs-Epos „Der Patriot“ (2000) mit Mel Gibson und die unbekümmerte Eiszeit-Fantasy „10.000 B.C.“ (2008). Ausgerechnet seine persönlichsten Werke – der Historien-Thriller „Anonymous“ (2011) über die Identität Shakespeares und das Drama „Stonewall“ (2015) – floppten. „Ich mache keine Oscar-Filme und werde diesen Preis auch nie bekommen“, weiß Emmerich. Doch es dürfte ihm nahegegangen sein, wie heftig „Stonewall“ über den Christopher-Street-Day-Aufstand verrissen wurde – er selbst geht erst seit Mitte 30 offen mit seiner Homosexualität um, davor befürchtete er, das könne seiner Karriere schaden.

Der mittlerweile 60-Jährige ist ein Kino-Pragmatiker, der nichts gegen Testvorführungen hat. Sein Metier betrachtet er als Synthese aus Kunst, Handwerk und Technik, und er will vor allem eins: unterhalten. Doch wenn man etwa sieht, wie in „The Day After Tomorrow“ Amerikaner, auf der Flucht vor Unwettern, just in Mexiko Asyl suchen, erkennt man, dass er gar nicht so unpolitisch ist.

Und er liebt das Filmemachen: „Wenn man mir den Job nehmen würde, ich würde Amok laufen.“ Nun lässt er in „Independence Day: Wiederkehr“ also die fiesen Außerirdischen zurückkommen und ein weiteres Mal die Erde platt machen.

Warum Roland Emmerich eine solche Vorliebe für diese Szenarien hat? Vielleicht ist es so: Zuerst bastelt er sich eine neue Film-Welt zusammen, und weil er das Basteln ja nicht mag, macht er mit spielerischer Freude eben wieder alles kaputt.

Die neue Biografie. Foto: Hannibal Verlag

Die neue Biografie. Foto: Hannibal Verlag

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Erstellt:
23.06.2016, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 23.06.2016, 06:00 Uhr

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