Dönermesser-Prozess: Täter war völlig außer sich

Zeugen präzisieren den Tathergang in der Reutlinger Innenstadt / Freundin des Täters verblutete

Im Prozess gegen den 22-jährigen Syrer, der Ende Juli 2016 in der Reutlinger Innenstadt seine Freundin getötet und danach zwei Unbeteiligte verletzt haben soll, schilderte gestern vor dem Tübinger Schwurgericht Gutachterin Dr. Adina Schweickhardt die Verletzungen, die zum Tod der Frau führten: Sie ist verblutet. Der Mann muss sich seit Ende Januar wegen Mordes vor Gericht verantworten (wir berichteten mehrfach).

18.03.2017

Von Dorothee Hermann

Symbolbild: liveostockimages - Fotolia

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Bis zu zehn teilweise lebensgefährliche Hieb- und Stichverletzungen soll der Angeklagte seiner Freundin zugefügt haben. Die Frau war 1,60 Meter groß, berichtete die Gerichtsmedizinerin. Als sie infolge der Attacken des kräftig gebauten Angeklagten stürzte, zog sie sich vielfache Hautabschürfungen zu. Hinweise auf eine Schwangerschaft fanden sich bei ihr ebensowenig wie Spuren von Drogen oder Alkohol.

Der Mann hatte teilweise so heftig mit einem großen Dönermesser zugeschlagen, dass die Klinge mehrfach in den Schädel der Frau eingedrungen war, sagte Schweickhardt. Das Gesicht der Freundin attackierte der Mann am Übergang zum Hals mit solcher Wucht, dass sich Spuren des Messers noch am Unterkiefer und der oberen Halswirbelsäule feststellen ließen.

Eine Untersuchung des Angeklagten wenige Stunden nach der Tat ergab 3,51 Nanogramm THC (Tetrahydrocannabinol), was auf einen Cannabiskonsum in den voraufgegangenen fünf bis zwölf Stunden hinweise. „Das ist kein sehr hoher Wert, hat aber Wirkung“, so Schweickhardt. Der Mann war mit einem 1,3 Kilo schweren Messer bewaffnet, dessen Klinge 60 Zentimeter maß. Das Gewicht erkläre die massiven Hiebverletzungen am Kopf und am Hals der Frau, so die Gutachterin. Wunden in diesen Körperbereichen bluten sehr stark, sagte sie. „Dann kommt es sehr rasch zur Bewusstlosigkeit.“

Der Angeklagte hat die Taten mittlerweile eingeräumt. Die Verletzungen des Mannes, auf den er in einem türkischen Lokal einhieb, waren nicht lebensbedrohlich, sagte Schweickhardt. Das gelte auch für die Autofahrerin, die der Mann am Arm attackiert hatte.

Den Angriff auf die Autofahrerin hatten eine 24-jährige Reutlingerin und ihr Freund aus nächster Nähe beobachtet. Der rote Wagen stand direkt vor ihrem eigenen Fahrzeug, als der Angeklagte mit dem Dönermesser auf das Auto einschlug, die Scheibe an der Fahrertür und die Windschutzscheibe zertrümmerte und die Fahrerin verletzte.

„Dann hat er uns angeschaut“, erinnerte sich die Zeugin. „Das ist dann der Moment, in dem man denkt: Jetzt bist du dran“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. Damals legte sie geistesgegenwärtig den Rückwärtsgang ein und steuerte ihr Auto rückwärts wieder in die Hauptstraße, wo wie durch ein Wunder gerade eine Lücke im Verkehr war. Das Verhalten des Angeklagten beschrieb die Zeugin so: „Es war auf jeden Fall sehr gewaltvoll. Es war nicht klar, ob er etwas beschädigen oder ob er jemanden verletzen wollte.“

Der Freund der Zeugin schilderte den Täter einerseits als völlig außer sich: „Es war eine totale Wut. Ich habe noch nie gesehen, dass ein Mensch so aus sich herausfährt.“ Andererseits habe der Mann unschlüssig gewirkt. „Er hat uns angeschaut, als wisse er nicht, ,soll ich oder soll ich nicht’?“, sagte der Zeuge. „Wenn er gewollt hätte, hätte er uns attackieren können. Er hat dann auch von der Frau im Auto abgelassen.“

Der Prozess wird am Freitag, 24. März, fortgesetzt. Dann soll sich auch der Autofahrer äußern, der mit seinem Fahrzeug den Täter zu Fall brachte und stoppte.

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18.03.2017, 01:00 Uhr
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zuletzt aktualisiert: 18.03.2017, 01:00 Uhr

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