Wohnungsnot · Milo braucht eine neue Wohnung

Wohnungssuche unmöglich: Alleinerziehend mit Kind und ohne eigenes Einkommen

Die Wohnung liegt im fünften Stock, weniger kindgerecht geht kaum. Wohnung ist außerdem zuviel gesagt, es handelt sich um ein ausgebautes Dach mit mehr Fläche zum Kopfeinziehen als zum Aufrechtstehen. Isabel Körner wohnt hier, und seit drei Monaten wohnt sie hier mit ihrem Sohn Milo. Seit sie das Baby hat, offenbart ihr die Wohnung schonungslos alle Schwächen.

17.08.2017

Von Ulla Steuernagel

Isabel Körner und ihr Sohn Milo sind auf eine neue Wohnung angewiesen. Bild: Steuernagel

Isabel Körner und ihr Sohn Milo sind auf eine neue Wohnung angewiesen. Bild: Steuernagel

So gibt es zum Beispiel keine richtige Heizung, nur zwei Nachtspeichergeräte, die, wie Körner sagt, in den kalten Monaten Heizkosten von 300 Euro verschlängen. Nicht gerade günstig bei einer 30 Quadratmeter-Wohnung für 340 Euro und fixen Nebenkosten von 50 Euro, die kaum jemals ausreichen.

Doch derzeit liegt in dieser Wohnung nichts ferner als heizen. Im kleinen Schlafzimmer kann es an heißen Tagen 38 Grad warm werden, außerdem zieht dann noch der Zigarettenrauch der Bewohnerinnen des vierten Stocks ins Zimmer. „Ich bin dann mit Milo den ganzen Tag draußen“, sagt die junge Mutter. Der Aufstieg ins Dach gleicht auf der letzten Treppenstrecke einer Klettertour an einer Steilwand. Da heißt es, den Kleinen sehr fest zu halten.

Dennoch findet Körner, dass ihre Wohnsituation derzeit gerade noch erträglich ist, gemessen an dem, was sie erwartet. Unerträglich wird sie bei Kälte, wenn sie sich die Stromheizung nicht leisten kann.

Die 34-Jährige sucht deshalb schon seit Jahresbeginn nach einer anderen Unterkunft. Unzählige Bewerbungen hat sie geschrieben, doch jedes Mal wurde ihre Hoffnung enttäuscht. Den normalen Ablauf schildert sie so: Die Mieter zeigen der potenziellen Nachmieterin ihre Wohnung und wollen sich beim Vermieter für sie verwenden. Doch dann herrscht Funkstille. Im besseren Fall kommt wenigstens eine Absage – wie jetzt aus Bühl.

Woran es genau liegt, dass die sympathische Frau nicht zum Zug kommt? Isabel Körner sagt, es liege nicht an ihrer ausländischen Herkunft: „weil ich gut deutsch spreche, merken die das oft gar nicht“. Es ist die Kombination aus „alleinerziehend und Jobcenter“. Denn, da sie derzeit keiner Arbeit nachgehen kann, übernimmt das Jobcenter die Miete. Bis zu 505 Euro Kaltmiete würde es monatlich zahlen. „Aber finde dafür in Tübingen eine Zwei-Zimmer-Wohnung!“

Ein Immobilienmakler, der die verzweifelte Wohnungssuche der Frau verfolgte, und ihr bislang trotz guter Fürsprache bei Vermietern nicht helfen konnte, wandte sich deshalb ans TAGBLATT.

Körner lebt schon 13 Jahre in Deutschland. Mit 21 Jahren folgte sie ihrem damaligen Mann von Ecuador nach Kiel und setzte dort das Biologiestudium fort, das sie in Südamerika begonnen hatte. Die junge Frau hat perfekt Deutsch gelernt. Weniger gut gelernt hat sie jedoch, mit all den Schwierigkeiten klarzukommen, die sich ihr in den Weg stellen. An der Kieler Universität, schien erst einmal alles gut zu laufen, sie konnte in ihrem Spezialgebiet Fledermäuse weiterforschen. Ihr besonderes Interesse galt der „Koevolution“ und der Wechselbeziehung zwischen Fledermäusen und Pflanzen, die nur von einer Art bestäubt werden können. Die junge Biologin hatte schon eine Stelle im Fledermaus-Zentrum in Bad Segeberg.

Ihr damaliger Mann, ebenfalls Biologe, wollte dann zur Promotion nach Tübingen wechseln. „Ich bin 12 000 Kilometer wegen meinem Mann nach Deutschland gereist, warum dann nicht auch noch die letzten 1000 Kilometer von Kiel nach Tübingen?“ So fiel trotz unsicherer Zukunft ihre Entscheidung mitzugehen. Die Ankunft in Tübingen (2006) war enttäuschend: Ihr bisheriges Studium wurde nur zum Teil anerkannt, ihre Forschungsschwerpunkte standen in Tübingen nicht auf dem Lehrplan. Und alle Kraft ging zunächst mal in die Promotion ihres Mannes.

So verlor sie, wie sie selber sagt, „in der Biologie den Faden“. Ihre Diplomarbeit schrieb sie dann in der Paläontologie.

Nach der Scheidung im Jahr 2010 nach Ecuador zurückkehren und weiter an den Fledermäusen forschen? Das war für sie keine Option. Zwar lebt ihre Familie dort, aber die Aussicht auf eine bezahlte wissenschaftliche Stelle findet sich im Land nicht. Und nach 13 Jahren fühlt sie sich in Deutschland zu Hause, auch wenn sie noch immer auf ihre Niederlassungserlaubnis warten muss.

Eine Wohnung in Tübingen oder gut erreichbarer Umgebung ist für sie besonders wichtig: „Mein Freundeskreis ist hier und der ist jetzt meine Familie.“ Die Beziehung zum Vater ihres Sohnes hat nicht gehalten, die junge Mutter muss sich alleine durchschlagen.

Kurz vor ihrer Schwangerschaft hatte sie sich zur Pharmareferentin umschulen lassen und einen Arbeitsplatz in Aussicht. Doch dann kam das Kind dazwischen. Sobald Milo in die Kita geht, will seine Mutter es wieder im Pharmabereich versuchen. Dieser Job liege ihr: „Ich bin ein Plappermäulchen“, sagt sie. Aber vor allem habe sie gern mit Menschen zu tun und mit Gesundheitsthemen.

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Erstellt:
17.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 10sec
zuletzt aktualisiert: 17.08.2017, 01:00 Uhr

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