Waterkant-Gate als Thriller

Suche nach Wahrheit: ARD-Film über den mysteriösen Tod Uwe Barschels

Wer steckte hinter dem Politik-Skandal um Uwe Barschel, und was verbarg sich hinter dessen mysteriösem Tod 1987 in Genf? Die ARD macht aus dem Stoff einen Top-Thriller, in dem Realität und Fiktion verschwimmen.

06.02.2016

Von SVEN KAUFMANN

Mord oder Suizid? Die fiktiven Journalisten David (rechts, Alexander Fehling) und Olaf (Fabian Hinrichs) legen ihrem Chefredakteur (Edgar Selge) Obduktionsfotos von Uwe Barschel vor. Foto: ARD

Mord oder Suizid? Die fiktiven Journalisten David (rechts, Alexander Fehling) und Olaf (Fabian Hinrichs) legen ihrem Chefredakteur (Edgar Selge) Obduktionsfotos von Uwe Barschel vor. Foto: ARD

Ulm. . Fiktive Szene, realer Hintergrund: In der „Neuen Hamburger Zeitung“ fließt der Sekt, der Chefredakteur steht auf dem Tisch und jubelt. „Wer die Demokratie missbraucht, fliegt auf die Nase. Weil wir schauen hin. Die Wahrheit ist immer stärker.“ Der Grund für die Siegesfeier im ARD-Zweiteiler „Der Fall Barschel“: Zwei seiner Reporter haben Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsidenten Uwe Barschel (Matthias Matschke) als Drahtzieher einer schmutzigen Wahlkampf-Kampagne gegen SPD-Herausforderer Björn Engholm entlarvt.

Aber hat hier tatsächlich die Wahrheit gesiegt? Der Fall Barschel ist nie ganz aufgeklärt worden. Nach seiner berühmten „Ehrenwort“-Konferenz tritt Barschel zurück. Wenig später, am 11. Oktober 1987, wird er tot in der Wanne in Zimmer 317 des Genfer Hotels „Beau Rivage“ gefunden.

Regisseur und Drehbuchautor Kilian Riedhof, der bereits 2011 mit dem Mobbing-Drama „Homevideo“ mit Jonas Nay Aufsehen erregt hatte, arbeitet in „Der Fall Barschel“ einen der größten Politik-Skandale in der deutschen Geschichte auf. Keine leichte Aufgabe, gerade weil dieser Fall auch nach fast 29 Jahren mysteriös bleibt und Verschwörungsgerüchte ins Kraut schossen.

Aber Riedhof hat es geschickt angestellt: Er macht die Suche nach der Wahrheit zum Thema seines Filmes und verknüpft die reale Geschichte mit der fiktiven Filmstory um die beiden investigativen Reporter David Burger (Alexander Fehling) und Olaf Nissen (Fabian Hinrichs). Sie stoßen bei ihren weiteren Recherchen auf die heute immer noch aktuellen Fragen: Hat Barschel, dessen Wiederwahl auf der Kippe stand, wirklich den Referenten Reiner Pfeiffer als Spitzel gegen Engholm eingesetzt - oder war Barschel doch Opfer einer Intrige? Und: Hat Barschel sich - so die offizielle Version - im „Beau Rivage“ das Leben genommen, oder wurde er ermordet, wie seine Familie sagt?

Auch die Frage nach dem journalistischen Ethos wirft der Filmemacher auf. Der fiktive Journalist David Burger ist besessen von der Suche nach der Wahrheit. Jahrelang folgt er jeder neuen Spur: illegale DDR-Waffengeschäfte, Verbindungen zum U-Boot-Deal mit Südafrika, Geheimdienste. Zu seinem früheren Leben verliert er jeden Bezug. Stattdessen taucht Burger, der eine heiße Affäre mit der Fotografin Giselle (Antje Traue) beginnt, immer tiefer in eine dunkle Welt ein. Keinem kann er mehr trauen.

Dieser Mix gibt dem Werk Tiefe und macht die Story um „Waterkant-Gate“ zu einem überaus spannenden und sehenswerten Polit-Thriller. Allerdings verlangt der insgesamt dreistündige Zweiteiler - danach kommt noch eine Doku - dem Zuschauer einiges ab. Die Handlung ist komplex, die Verstrickungen sind zuweilen verwirrend. Aber es sind packende 180 Minuten mit klasse Schauspielern und dichter Atmosphäre. Matthias Matschke spielt Barschel brillant als gebrochenen Mann, Martin Brambach perfekt den schmierigen Referenten Reiner Pfeiffer, Edgar Selge toll den um Seriosität bemühten Chefredakteur. Alexander Fehling und Fabian Hinrichs überzeugen als fiebernde Journalisten - ganz im Stile des US-Genreklassikers „Die Unbestechlichen“ von 1976 mit Robert Redford und Dustin Hoffman.

Der Film bietet auch viel Zeitkolorit. Originalaufnahmen sind so perfekt vermischt mit Spielszenen, dass man Realität und Fiktion auch optisch kaum auseinanderhalten kann. Barschel etwa wird nie im Original gezeigt, sondern nur von Matschke gespielt. Selbst das legendäre, erschütternde Bild des toten Politikers in der Wanne, das damals um die Welt ging, ist so nachgestellt, dass man es für echt hält.

Der Film ist gut recherchiert, aber auch spekulativ, aufregend, gewagt. Da wundert es nicht, dass im Vorspann der Hinweis erscheint, dass es sich um einen Spielfilm und nicht um eine Doku handle. Es fällt schwer, das zu glauben.

Info Beide Teile von „Der Fall Barschel“ werden heute, 20.15 Uhr,

in der ARD gezeigt. Danach folgt die Doku „Barschel - Das Rätsel“.

Matthias Matschke als Uwe Barschel tot in der Wanne: Das Bild wirkt täuschend echt, das Original ging damals um die Welt. Foto: ARD

Matthias Matschke als Uwe Barschel tot in der Wanne: Das Bild wirkt täuschend echt, das Original ging damals um die Welt. Foto: ARD

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Erstellt:
06.02.2016, 08:30 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 51sec
zuletzt aktualisiert: 06.02.2016, 08:30 Uhr

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