Mit Engelszungen

Vom Talent übersprungen

Der Großvater Kfz-Meister, der Vater Hobbytüftler und Garagenhandwerker aus Leidenschaft. Stundenlang schraubten die beiden Männer mit ihren vier Pranken an Auto und Motorrad im heimischen Fuhrpark – schwarze Ölstreifen zogen sich als Kriegsbemalung über Stirn und Wangen, der Blaumann wurde stolz als Rüstung getragen.

27.05.2016

Von Maik Wilke

Egal, ob ein neuer Auspuff für lauteres Knattern sorgen sollte, oder gleich der ganze Motorblock in seine Einzelteile zerlegt wurde: für jedes Problem gab’s eine technische Lösung. Talent überspringt aber leider eben wirklich hin und wieder eine Generation. Und in meinem Fall hat das Talent fürs Handwerk sogar einen Riesensatz mit Anlauf gemacht.

Als kleiner Knopf bekam ich den Assisstenzjob zugewiesen und reichte Ringratschen und Schraubenschlüssel an die Tüftler. Schon bei dieser stumpfen Aufgabe war meine Begabung limitiert. „Nein, nicht die. Die andere. Nein, das ist kein Schraubenzieher, sondern ein Hammer“, bekam ich fast schon als Matra zu hören. Teppichmesser und Kabelschneider vertrauten mir Opa und Vater wohlwissend um meine zwei linken Hände gar nicht erst an – sonst hätte auch meine Zukunft als Schreiber wohl früh ein blutiges Ende genommen. So war es für alle drei Wilke-Männer nicht verwunderlich, dass ich die Werkzeugkiste früh gegen einen Fußball eingetauscht habe.

Das hat mir über Jahre hinweg sicher so einige gequetschte Finger erspart. Doch bricht wie vergangene Woche mein Bett ein, nützt mir das feine Gefühl fürs runde Leder nicht viel. Bei einem der vier hölzernen Füße hatte die Metallplatte vom Bettgestell Reißaus genommen. Werkzeugkiste vorgekramt, kurzes Gebet an den römischen Gott des Handwerks Hammeros und sein griechisches Pendant Bohrschraubia gesprochen, geht es ans Werk. Nach fünf Minuten steht mein Scheitern bereits fest. Mit Schraubenzieher und Hammer wird das nichts. Also ist Improvisation gefragt: Ein Stapel alter Zeitungen und Prospekte dient als neue Stütze. Und da heißt es, auf dieser Branche könne man nichts mehr aufbauen.

Während technisch begabte Schülerforscher wie Adrian Keil schon mit 16 Jahren ihr eigenes Antriebssystem entwickeln, habe ich noch nie den Schlauch am Fahrrad repariert. Und wenn mein Mitbewohner als engagierter Schrauber beim Wechseln der Stoßdämpfer meine Hilfe verlangt, muss ich freundlich ablehnen – zu seinem Besten. Ich reagiere eben allergisch auf Technik und Handwerk, Kneifzangitis nennt das der Facharzt.

Wenn es Probleme geben muss, dann lieber mit Fernseher oder Laptop. Denn da halte ich mich gerne an den Techniker-Tipp Nummer Eins: Stecker, beziehungsweise Akku raus, fünf Minuten warten, wieder anschalten. Funktioniert fast immer. Und schmierige Hände kriegt man beim Knöpfledrücken der Fernbedienung auch nicht.