Schaufenster oder Marktplatz

Tübinger Einzelhändler diskutierten am Donnerstag die Potenziale des Online-Handels

Geh ich in den Laden um die Ecke oder bestell ich‘s im Internet und lass es mir liefern? Tübinger Einzelhändler diskutierten am Donnerstag unterschiedliche Modelle, die das „ethische und das Bequemlichkeits-Bedürfnis“ miteinander versöhnen sollen.

27.11.2015

Von Philipp Koebnik

Tübingen. Für die meisten ist es eine Schreckensvision: Verödete Innenstädte einerseits, riesige Shopping-Malls am Stadtrand andererseits. Was in USA vielerorts Realität, ist in Tübingen noch weit entfernt. Dennoch: Auch in der Neckarstadt kaufen immer mehr Menschen online ein – teilweise nachdem sie sich im Einzelhandel beraten ließen. Aber auch der stationäre Einzelhandel hat eine Zukunft, wenn er die Vorteile des Netzes zu nutzen bereit ist, meinen einige Tübinger Händlerinnen und Händler.

„Handel ist mehr als die Versorgung mit Gütern, Handel ist Teil einer lebendigen und attraktiven Innenstadt“, betonte Oberbürgermeister Boris Palmer zu Beginn der Diskussionsveranstaltung. Rund 70 Interessierte waren in den Saal der Tübinger Volksbank gekommen, um unterschiedliche Modelle zu beraten, wie beide Komponenten miteinander verknüpft werden könnten. Dazu eingeladen hatten die WIT Wirtschaftsförderungsgesellschaft Tübingen, der Handel- und Gewerbeverein (HGV) und die Initiative „Buy local Tübingen“.

„Die Tübinger mögen keine Konzerne, die nur den Mindestlohn zahlen und keinen Betriebsrat zulassen“, sagte Palmer in Anspielung auf einen bekannten großen Online-Versandhändler. Indes habe man mit dem E-Bike-Lieferdienst „Velocarrier“ in Tübingen bereits Erfahrungen gemacht mit einem „Zustelldienst auf ökologischer Grundlage“. Es seien mithin Alternativen denkbar, die „das ethische und das Bequemlichkeits-Bedürfnis zugleich“ bedienen. Es gelte nun ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten und möglichst viele Händler von Beginn an mitzunehmen. Gelinge dies, so der OB weiter, wolle er sich im Gemeinderat dafür einsetzen, dass die Stadt für zwei Jahre die Personalkosten für den Aufbau dieses Systems übernimmt.

Eine Art Online-Schaufenster für Tübinger Unternehmen existiert bereits. Seit fast 15 Jahren gibt es die Seite www.tuemarkt.de, wo sich Einzelhändler und Dienstleister präsentieren. Die beiden Geschäftsführer von Tuemarkt, Selçuk Öner und Benjamin Böhm, warben am Donnerstag für eine Weiterentwicklung ihres Systems. So sollen die Einzelhändler künftig ihre eigenen Webshops auf tuemarkt.de verlinken können.

Heftige Diskussion:

Atalanda gegen Tuemarkt

Ein anderes Konzept stellte der Atalanda-Geschäftsführer Roman Heimbold vor. Seine Firma hat in Wuppertal erfolgreich eine „Online-City“ ins Leben gerufen. Dort findet der Kunde einen „Marktplatz“, auf dem er Waren direkt bestellen kann – geliefert wird noch am selben Tag. Der Händler muss sich darum nicht kümmern, das Ausfallrisiko trägt Atalanda. Allerdings erhält die Firma eine Vermittlungsprovision von knapp acht Prozent.

Das Publikum zeigte sich interessiert, aber auch skeptisch. Unterschiedliche Auffassungen gab es darüber, wozu eine größere Online-Präsenz der Einzelhändler letztlich dient: Sollen Touristen nach ihrer Rückkehr weiterhin in Tübingen einkaufen können, indem sie online bestellen? Oder geht es darum, die Tübingerinnen und Tübinger in die Läden zu locken, nachdem sie sich im Netz informiert haben? Und warum sollte jemand den eigenen Online-Shop, mit dem er bundesweit agieren kann, zugunsten eines auf Tübingen begrenzten Online-„Marktplatzes“ aufgeben?

Zu einem Eklat kam es, als der ehemalige HGV-Vorsitzende Otto Mayer dem jetzigen Vorstandsmitglied Jörg Romanowski vorwarf, nicht neutral zu sein, sondern das Atalanda-System durchdrücken zu wollen. Romanowski verbat sich diesen „persönlichen Angriff“ und hielt seinerseits Mayer vor, als Mitgründer von Tuemarkt Vorbehalte gegenüber Atalanda zu haben.

Am Schluss gab es eine kleine Umfrage: Auf Zetteln konnten die Besucher angeben, welches Konzept sie mehr überzeugt hat. Man wolle weitere Gespräche führen, bevor dann im Januar das Modell mit dem größten Rückhalt vorgestellt werden soll, so Thorsten Flink von der WIT.

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Erstellt:
27.11.2015, 17:12 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 41sec
zuletzt aktualisiert: 27.11.2015, 17:12 Uhr

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