Lügnern nicht auf den Leim gehen

Trump, Bundestagswahl, Rechtspopulismus: Die Landtagspräsidentin diskutierte mit Schülern

Hoher politischer Besuch war am Montag im Rahmen des Programms „Schulbesuch vom Landtag“ auf dem Höhnisch zu Gast: Landtagspräsidentin Muhterem Aras, einen Tag zuvor noch bei der Wahl des Bundespräsidenten in Berlin vertreten, kam mit Oberstufenschülern des Karl-von-Frisch-Gymnasiums ins Gespräch.

14.02.2017

Von Amancay Kappeller

„Es liegt an uns allen, was wir daraus machen. Wir alle tragen Verantwortung.“ Landtagspräsidentin Muhterem Aras im Gespräch mit Schülern. Bild: Franke

„Es liegt an uns allen, was wir daraus machen. Wir alle tragen Verantwortung.“ Landtagspräsidentin Muhterem Aras im Gespräch mit Schülern. Bild: Franke

Begrüßt wurde die 51-Jährige von Schulleiter Karsten Rechentin, der verantwortlichen Lehrerin Bärbel Norz und Nehrens Bürgermeister Egon Betz als Vorsitzender des Gemeindeverwaltungsverbands als Schulträger.

Betz bezeichnete Norbert Lammerts Rede, die dieser vor der Wahl zum Bundespräsidenten hielt, als „Sternstunde der Demokratie und Redekunst“. Betz forderte die Jugendlichen auf, stets aufmerksam zu sein „gegen einfache Parolen der Populisten“. Moderiert wurde die anschließende Diskussion von den Schülern Jan Hallatschek und Felix Nuber. Muhterem Aras erklärte einleitend, ganz besonders beeindruckt habe sie, dass sich das Karl-
von-Frisch-Gymnasium nicht nur der Vermittlung von Wissen,
sondern auch von Werten verschrieben habe.

„Was mögen Sie an Ihrem Amt am meisten?“, wollte eine Schülerin wissen. Besonders spannend sei die überparteiliche Arbeit, antwortete Aras. Nuber bat die Grünen-Politikerin um eine Prognose für die Bundestagswahl: „Welche Regierung kommt zustande?“ Sie wünsche sich eine sehr hohe Wahlbeteiligung, antwortete Aras. Und dass der Ausgang der Wahl zum US-Präsidenten die Bevölkerung wachrüttele – „damit wir sehen, was auf dem Spiel steht“. Lügnern, die ihren Wahlkampf auf Rassismus, Ausgrenzung und Abschottung gründeten, dürfe man nirgendwo auf den Leim gehen, sagte Aras. „Es liegt an uns allen, was wir daraus machen. Wir alle tragen Verantwortung.“

Nuber fragte Aras nach Themen, die im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielen werden. Innere Sicherheit, Bildung, Armut und soziale Gerechtigkeit, griff die Landtagspräsidentin einige heraus. „Innere Sicherheit ohne soziale Gerechtigkeit wird es nicht geben.“ Jede Partei sei gut beraten, Antworten zu finden
auf Fragen, die die Gesellschaft bewegen. „Wir sollten Kräfte
stärken, die für Zusammenhalt sind und nicht die, die die Gesellschaft spalten.“

„Was muss auf gesellschaftlicher Ebene passieren, um die Entwicklung zum Rechtspopulismus zu stoppen?“, fragte eine Schülerin. Umfragen zufolge tendieren laut Aras in Deutschland 20 Prozent der Menschen zum Rechtspopulismus. Man müsse die Menschen zurückholen in die Mitte der Gesellschaft, mit ihnen ins Gespräch kommen. „Aber das kann nicht die Politik alleine, da ist jeder einzelne gefragt. Jeder muss sich dessen bewusst werden, was für Grundwerte wir haben.“ Hallatschek sprach Aras auf deren Verhältnis zur AfD an: Bei ihrer Wahl zur Landtagspräsidentin habe sie aus diesem Lager keinen Beifall bekommen. Die AfD habe ihre Wahl als „Provokation und Beweis für die Islamisierung Deutschlands gesehen“. „Da fehlt es an Kinderstube, das ist deren Problem.“ Der Umgang mit AfD-Abgeordneten laufe nun in der Regel aber fair und respektvoll ab.

„Trumps Einreiseverbot gegen Muslime, wie beeinflusst es Europa?“, fragten die Schüler. „Das ist Rassismus pur, es stellt Menschen aus bestimmten Ländern unter Generalverdacht“, erwiderte Aras: „Pauschalverurteilungen waren nie Lösungen für irgendwas.“ Nuber forderte ein Statement von der 51-Jährigen zur derzeitigen Lage in der Türkei. Es sei sehr bedauerlich, wohin Erdogan die Türkei geführt habe. Menschenrechte würden mit Füßen getreten. Deutschland müsse Stellung beziehen, mit klaren Signalen an regierungskritische Organisationen oder Oppositionsführer.

„Warum setzen Sie sich für flächendeckenden Islamunterricht an Schulen ein?“, fragte Hallatschek. Bisher habe man sich hier in der Politik aus der Verantwortung gezogen, sagte Aras. Kinder würden zum Unterricht in Moscheen geschickt. „Und in einigen davon wird ein Islam gepredigt, der mit deutschen Werten nicht kompatibel ist“ – etwa beim Thema Gleichberechtigung von Mann und Frau. Den Unterricht sollten laut Aras in Deutschland ausgebildete Religionswissenschaftler übernehmen – und nicht Imame aus der Türkei, die als Beamte des türkischen Staates loyal seien gegenüber der Regierungspolitik.

Stimmenkönigin und Landtagspräsidentin

Muhterem Aras wurde am 2. Januar 1966 in der Türkei in einem anatolischen Dorf geboren. 1978 kam sie mit ihrer Mutter und den vier Geschwistern nach Filderstadt. Der Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland als Gastarbeiter tätig. Im Anschluss an Haupt- und Realschulabschluss sowie Abitur studierte Aras Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim. 2000 gründete Aras in Stuttgart ein Steuerberaterbüro. In die Partei der Grünen trat die zweifache Mutter 1993 ein. Von 1999 bis 2011 saß Aras im Stuttgarter Gemeinderat, ab 2007 als Fraktionsvorsitzende. 2011 zog sie als Stimmenkönigin der Grünen in Baden-Württemberg in den Landtag ein – als erste Muslimin. Am 11. Mai 2016 wurde Muhterem Aras zur Landtagspräsidentin gewählt – als erste Frau in diesem Amt.

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Erstellt:
14.02.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 08sec
zuletzt aktualisiert: 14.02.2017, 01:00 Uhr

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