Von Angesicht zu Angesicht

Thomas Poreski besuchte die Dußlinger Brücken-Apotheke

Zu den heißen Themen im Wahlkampf 2016 zählt nicht: Gesundheitspolitik. Aber mit welchen Problemen haben etwa Apotheken auf dem Land zu kämpfen? Thomas Poreski, Reutlinger Landtagskandidat der Grünen, bekam zumindest einen kurzen Eindruck.

09.03.2016

Von Kathrin Löffler

Nimmt erstmal eine Geruchsprobe im Tee- und Kräutersortiment im Hinterzimmer: Thomas Poreski. Apothekerin Monika Georgi lässt ihn an Pfefferminz und Rosmarin schnuppern. Und? „Man kann da schon beschwingt werden“, bilanziert der Grüne seinen Besuch in der Apotheken-Wunderkammer. Bild: Franke

Nimmt erstmal eine Geruchsprobe im Tee- und Kräutersortiment im Hinterzimmer: Thomas Poreski. Apothekerin Monika Georgi lässt ihn an Pfefferminz und Rosmarin schnuppern. Und? „Man kann da schon beschwingt werden“, bilanziert der Grüne seinen Besuch in der Apotheken-Wunderkammer. Bild: Franke

Dußlingen. Stefan Möbius hat ein Problem. Dem Mann von der Landesapothekerkammer fehlt es an Resonanz. Über die Dußlinger Apothekerin Ursula Barthlen bat sein Haus Landtagskandidaten zur Visite. Doch in Flüchtlingskrisenzeiten fristen Gesundheitsfragen ein stiefmütterliches Dasein. Zumal: Der Großteil von ihnen wird ohnehin auf Bundesebene beantwortet. Einzig Thomas Poreski, Landagsabgeordneter und erneuter Mandatsbewerber im Wahlkreis Reutlingen, folgte der Einladung. Gestern besichtigte er eine Stunde lang die Brücken-Apotheke in Dußlingen. Die Zusage war allerdings auch ein wenig biografisch motiviert: Seine Mutter ist gelernte Apothekenhelferin.

Dabei kann Möbius Zahlen nennen, die aufhorchen lassen: Gegenwärtig gibt es 200 Apotheken weniger in Baden-Württemberg als noch 2008. Und die flächendeckende Versorgung, so Möbius, sei durchaus ein landespolitisch wichtiges Thema. Was die grün-rote Landesregierung aus seiner Sicht „schon ganz gut“ gemacht hat: Sie habe sich bemüht, die ärztliche Versorgung im Südwesten sicherzustellen. Davon profitierten die Apotheken: „Die Leute lösen ein Rezept dort ein, wo ein Arzt sie ausstellt.“ Poreski ist sich der gesellschaftlichen Bedeutung bewusst: Wenn im ländlichen Raum eine Apotheke schließe, sei „die Struktur im Eimer“. Geht es nach den Grünen, soll sich das gesamte Gesundheitssystem an seinem sozialräumlichen Wert orientieren.

Apotheken gibt es in Gomaringen, Ofterdingen und Nehren. Die Brücken-Apotheke muss allein vom 5700-Einwohner-Flecken Dußlingen leben – „was nicht einfach ist“, sagt Apothekerin Monika Georgi. Der Umsatz von Apotheken in zentraler städtischer Lage wäre nur mit erheblich höherem Einsatz zu erreichen.

Dazu kommt mit den Versandapotheken Konkurrenz aus dem Netz. Apothekerkammer-Sprecher Stefan Möbius beschreibt eine Forderung seines Verbands: „Der Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln soll abgeschafft werden.“ Hier geht seine Kritik an die Grünen: Sie argumentierten, dieser Wunsch sei europaweit nicht umsetzbar.

In der Brücken-Apotheke setzt man auf den Wettbewerbsvorteil einer ganzheitlichen Betreuung von Angesicht zu Angesicht. Das könne eine Versandapotheke nicht leisten, so Georgi. Im Internet könnten sich Patienten zwar Informationen holen, aber keine Beratung. Die Dußlinger Mitarbeiterinnen vor Ort hinterfragten auch vorgefertigte Medikamentenwünsche ihrer Kunden: etwa dahingehend, ob die Arznei wirklich nötig sei oder nicht besser ein Arzt aufgesucht werden sollte.

Die Brücken-Apotheke beteiligt sich auch am Projekt „Athina“, kurz für Arzneimittel-Therapiesicherheit in Apotheken. Es fußt auf dem Problem, dass Patienten teils bis zu 15 verschiedene Medikamente an bis zu zehn verschiedenen Zeitpunkten am Tag einnehmen müssten. Und von ihren Haus- und Fachärzten wisse keiner, was der je andere verordne.

Selbst Rezepte mischen lohnt sich nicht

Im Athina-Projekt analysiert die Apotheke sämtliche verabreichten Medikamente, passt sie aufeinander ab und recherchiert, was zusammen eingenommen werden darf. „Das bedeutet einen unheimlichen Gewinn an Lebensqualität“, sagt Apothekerin Kristijana Kovacevic. So soll die Anzahl der Krankenhausaufenthalte wegen Arzneimittelnebenwirkungen reduziert werden. Bisher spielen die Krankenkassen in Baden-Württemberg allerdings noch nicht mit.

Rund 100 individuelle Rezepturen stellt die Brücken-Apotheke im Monat selbst her. Gewinnbringend ist das nicht. Für Augentropfen etwa sitzt die Pharmazeutisch-technische Assistentin Leonie Schelling knappe drei Stunden im Labor. Sie prüft das Rezept des Kunden, hält Rücksprache mit dem Arzt, wiegt mit Mundschutz, Handschuhen und Schutzbrille die Stoffe ab, filtriert die Lösung steril in ein Fläschchen. Dafür kann die Apotheke einen Arbeitspreis von 7 Euro ansetzen. Für eine Salbe sind es 5 Euro. „Definitiv ein Minusgeschäft“, sagt Möbius. Georgi: „Wir machen viel unlukrative Arbeit, für die hoher pharmazeutischer Sachverstand gefragt ist.“ Bei selbst für die Krankenkassen hergestellten Rezepturen treibt es ihr „die Tränen in die Augen“.

Eigentlich sind Apotheken verpflichtet, individuelle Rezepte zu produzieren und Räumlichkeiten dafür vorzuhalten. Nicht alle verfolgen das stringent. Poreski meint, ein probates Mittel gegen die unprofitable Arbeit zu kennen: „Am einfachsten ist dann, abweisend zu beraten.“

Laut Monika Georgi sei vielen Menschen gar nicht klar, welch geballte Komptenz in Apotheken existiere. Der Landtagskandiat sekundierte: „Deshalb darf es nicht so sein, dass die höchste Leistung am wenigsten wert ist.“

Die Brücken-Apotheke in Dußlingen

Inhaberin der Dußlinger Brücken-Apotheke ist Ursula Barthlen. Sie hat sich unter anderem auf Homöopathie und Naturheilkunde, Heilpflanzen und Tees spezialisiert. Insgesamt gibt es in der Brücken-Apotheke elf Beschäftigte. Neben vier Apothekerinnen arbeiten dort auch Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte, teils haben sie eine Zusatzausbildung zur Kosmetikerin.