Eltern kämpfen für den Schulbus umsonst

Theo Keck will mit Musterklage in Sigmaringen Kostenfreiheit erreichen

Eltern von Fahrschülern reicht es. Schon lang machen sie gegen die hohen Kosten der Beförderung mobil. Vergeblich. Jetzt haben sie beim Verwaltungsgericht in Sigmaringen Klage gegen den Landkreis Tübingen eingereicht. Ihr Ziel: weg mit dieser Belastung.

30.12.2015

Von Ute Kaiser

Archivbild: Kuball

Archivbild: Kuball

Kreis Tübingen. Schauen Familien aus Baden-Württemberg über die Landesgrenze, können sie nur staunen: Weder in Bayern noch in Rheinland-Pfalz müssen die Eltern schulpflichtiger Kinder für die Fahrt mit Bus oder Bahn in die Schule zahlen. Warum nicht auch hier? Das fragt sich die Initiative „Eltern für Elternrechte in Baden-Württemberg“ schon lange. Ihre zwei Tage vor Heiligabend in Sigmaringen eingereichte Klage zur Kostenfreiheit der Schülerbeförderung soll jetzt Klarheit bringen.

Eine der zwei Musterklagen betreibt Theo Keck. Es geht um eins seiner beiden Kinder: den 13-jährigen Sohn, der noch vier Jahre Fahrerei mit dem Bus vom Stadtteil Obernau zum Gymnasium in Rottenburg vor sich hat. Der Streitwert beträgt 457,20 Euro für zwölf Monatskarten. Für ihre beiden Kinder zahlt die Familie über 900 Euro Fahrgeld jährlich. Sie fungiert in der Klage der Elterninitiative als normale Durchschnittsfamilie.

Keck, Vorsitzender des Rottenburger Gesamtelternbeirats und früher Vorsitzender des Landeselternbeirats, kennt die Debatten um die Fahrtkosten seit Jahr(zehnt)en. Als die baden-württembergischen Regierungsparteien SPD und Grüne noch in der Opposition waren, kritisierten sie immer wieder die Belastung der Eltern. In einer Anfrage an die CDU-geführte Landesregierung befürchteten Abgeordnete der Grünen 2003 „ein Schulgeld durch die Hintertür“ als Folge der Schülerbeförderungskosten.

Grün-Rot hat frühere
Forderungen vergessen

Inzwischen, sagt Keck, sei Grün-Rot schon fast fünf Jahre an der Regierung, „doch passiert ist nichts, um die früher noch beschworenen Missstände zu beheben“. Es scheine so, als wäre „die Erinnerung an die vor Jahren gestellten Forderungen verblasst“. Aus Sicht des Elternbeiratsvorsitzenden und der Elternrechte-Initiative ist die gerichtliche Klärung (siehe Info) unausweichlich.

Zunächst hatten Vertreter der Initiative versucht, das Problem regional in den Kreistagen zu lösen. Auch im Tübinger Gremium machten Grüne, Linke und SPD immer wieder Vorstöße, um die Elternanteile an den Kosten der Schülerbeförderung abzuschaffen oder zu senken (wir berichteten mehrfach). Mit einem Teilerfolg: Auf Vorschlag der Verwaltung übernimmt der Kreis die Anteile für Juli und August, wenn die Monatskarten für ein Jahr gekauft werden. Das entspricht einer Entlastung von 6,9 Prozent. Der Preis für einzelne Monatskarten dagegen steigt vom 1. Januar 2016 an um 3,9 Prozent auf 39,60 Euro für eine Wabe.

Als die Eltern auf Landkreisebene, aber auch landesweit nicht recht weiterkamen, gaben sie ein Rechtsgutachten bei der Stuttgarter Kanzlei Würtenberger in Auftrag. Auch der Tübinger und der Rottenburger Gesamtelternbeirat unterstützen es ideell und mit Spenden.

Das Ende April dieses Jahres vorgestellte Gutachten stützt sich unter anderem auf von der Bundesrepublik ratifizierte internationale Rechte der Kinder. Danach, so eine Aussage, umfasse das garantierte und einklagbare Recht auf unentgeltlichen Zugang zu Bildung auch die Beförderungskosten, da sie negative Auswirkungen auf Wahl und Ort der Schule haben könnten.

Die Elterninitiative für die Schülerbeförderung zum Nulltarif hat die Landespolitiker mit dem Gutachten konfrontiert – und war enttäuscht. Es gab zunächst keine Reaktionen, schon gar keine inhaltliche Auseinandersetzung, heißt es in ihrem Beitrag in der Publikation „Schule im Blickpunkt“. Dann folgten Abfuhren aus dem Staats- und dem Kultusministerium. Deshalb planten die Eltern den nächsten Schritt: die Klage in Sigmaringen vorzubereiten. „Gerne“, sagt Keck, „hätten wir darauf verzichtet.“

Der Rottenburger weiß, dass er nun Geduld haben muss. Er rechnet damit, dass es drei oder vier Monate bis zum Verhandlungstermin in Sigmaringen dauern wird.

Kanzlei stützt sich unter anderem auf die Landesverfassung

Die am 22. Dezember von der Stuttgarter Kanzlei Würtenberger eingereichte Klage umfasst 16 Seiten. „Die Kläger begehren mit der vorliegenden Klage die vollständige Erstattung der Schülerbeförderungskosten aufgrund der Völkerrechts- und Verfassungswidrigkeit, entgegen der bisher nur anteiligen Kostenerstattung“, heißt es darin. Sie stützt sich unter anderem auf den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, auf Artikel 11, Absatz 1 der Landesverfassung („Jeder junge Mensch hat ohne Rücksicht auf Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seiner Begabung entsprechende Erziehung und Ausbildung“) und auf einen
Absatz des Schulgesetzes, in dem es um die Schulgeldfreiheit geht.