Skispringen

Teurer Konkurrenzkampf

Erstmals seit zehn Jahren findet in Klingenthal kein Weltcup statt. Bis es wieder soweit ist, sind erneut Investitionen nötig. Der Ski-Weltverband Fis macht Druck.

20.10.2017

Von MANUELA HARANT

Kein Schnee, dafür jede Menge Wind: Der Skisprung-Weltcup hatte immer wieder mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Fotos: VSC Klingenthal

Kein Schnee, dafür jede Menge Wind: Der Skisprung-Weltcup hatte immer wieder mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Fotos: VSC Klingenthal

Klingenthal. Auf dem Bakken im Vogtland bläst kein Lüftchen, das moderne Funktionsgebäude schwebt wie ein Ufo über dem Hang. Darunter breitet sich der Sprunghügel in sattem Grün aus, eingebettet in die herbstlichen Farben der Mischwälder. Alles scheint angerichtet für den elften Weltcup in Klingenthal, und doch sucht der Skisprung-Fan die sächsische Wintersport-Hochburg im aktuellen Weltcup-Kalender vergeblich – ebenso im Plan der Saison 2018/2019. „Wir sind tief enttäuscht, dass wir wieder nicht dabei sind“, sagt Klingenthals Bürgermeister Thomas Hennig.

Dabei hatte das Vogtland 2003 tief in die Tasche gegriffen, als mit viel Unterstützung durch Steuergelder für 19 Millionen Euro mit dem Bau des von einigen als „Schmuckkästchen des Landrats“ bezeichneten Prestige-Projekts begann. „Das ist viel Geld, aber woanders wurde schon mehr Geld hineingesteckt, und da ist bis heute noch keiner geflogen“, sagt Marcus Stark, Vizepräsident des Wintersportvereins VSC Klingenthal mit einem Seitenhieb in Richtung Haupstadtflughafen BER.

Seit der Eröffnung der Vogtland-Arena 2007 war sie zehn Jahre lang fester Bestandteil des Skisprung-Weltcups, insgesamt 60 internationale Wettbewerbe im nordischen Skisport gingen hier über die Bühne. Doch auch in Klingenthal wird es immer schwieriger, einen regelmäßigen Flugbetrieb sicherzustellen. Denn die Anlage am Schwarzberg ist sehr windanfällig, so dass schon einige Wettbewerbe im engen Zeitfenster der TV-Übertragung auf der Kippe standen oder sogar den Böen zum Opfer gefallen sind. Diesem Problem kann ein Windnetz Abhilfe schaffen, wie im vergangenen Winter in Klingenthal zum Einsatz kam. Kostenpunkt der Miete: 100 000 Euro. Eine feste Installation würde mit rund einer Million Euro zu Buche schlagen. Der Skisprung-Renndirektor vom Weltverband Fis, Walter Hofer, stellt jedoch unmissverständlich klar: „Wenn Klingenthal dabei bleiben will, muss es in der Infrastruktur aufrüsten – wie wir das auch von anderen Veranstaltern verlangen.“ Um seiner Forderung noch etwas „Nachdruck“ zu verleihen, hat Hofer sogar das Finale des Sommer-Grand-Prix 2018 in Klingenthal nur „unter Vorbehalt“ aufgenommen, also nur, wenn dort ein Windsegel zum Einsatz kommt. Für den Veranstalter heißt das: bezahlen oder sterben.

Denn die Konkurrenz steht in Deutschland Schlange: „Wir haben hier ein Luxusproblem“, sagt Hofer. Neben den Traditionsstätten Willingen und Titisee-Neustadt sowie die Tournee-Stationen Garmisch und Oberstdorf hätten sogar Ruhpolding und Oberhof für Weltcup-würdige Bedingungen gesorgt. „Neustadt ist wieder mit dabei, weil es eine permamenente Flutlichtanlage installiert hat“, erklärt FIS-Renndirektor Walter Hofer.

Da ist die Angst berechtigt, dass die ohnehin teuer zu unterhaltenden Skisprunganlagen zum Fass ohne Boden werden. Schon jetzt gehören tausende Kubikmeter Kunstschnee zum Weltcup-Alltag, die ebenfalls der Veranstalter ranschaffen muss. „Unsere Forderungen dienen nur der Sicherung der Wettkämpfe“, rechtfertigt Walter Hofer die stetigen Neuerungen.

Dabei ist der Stellenwert der Schanze für den Tourismus in der Region bedeutend. „Die Vogtland-Arena ist eine der meistbesuchten Attraktionen in der Region“, sagt VSC-Vize Stark. 55 000 Tagesgäste besuchen die Sportstätte jährlich. „Die Wertschöpfung liegt bei mehreren Millionen Euro pro Jahr“, sagt Bürgermeister Hennig, dessen Stadt für diese Saison als „Trostpflaster“ den Weltcup der Nordischen Kombinierer erhalten hat. Der Deutsche Ski-Verband (DSV) gibt zudem die Zusage, Klingenthal bei Skisprung-Weltcups über die Saison 2018/19 hinaus „nach Kräften zu unterstützen“, sagt DSV-Mediendirektor Stefan Schwarzbach und geht davon aus, dass das Vogtland in zwei Jahren wieder Schauplatz im Skisprung-Zirkus ist. Denn ohne regelmäßige TV-Höhepunkte verblasst der Glanz der noch jungen Schanze. „Wir brauchen die Rückkopplung über den Weltcup. Sonst werden die Gäste an der Schanze weniger“, sagt Hennig. Daran ändert auch die windstille Herbstidylle auf dem Schwarzberg nichts.

Der Jubel über den ersten Weltcup in Klingenthal war groß. Fotos: VSC Klingenthal

Der Jubel über den ersten Weltcup in Klingenthal war groß. Fotos: VSC Klingenthal

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Erstellt:
20.10.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 20.10.2017, 06:00 Uhr

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