In der Stadt waren die Narren los

Teufel, Hexen, Sonnenschein: Tausende Zuschauer beim Tübinger Umzug

Narren und Hästräger aus Tübingen und von weiter her lockten am Sonntagnachmittag zirka 4500 Besucher in die Altstadt.

12.02.2017

Von Dorothee Hermann

Pelzige Dachsgesichter, grimmige Hexen, stattliche Teufel und fahle Geister in rosa, grünem oder gelblichen Stinkequalm: Am Sonntagnachmittag verwandelte sich die Tübinger Altstadt wieder einmal in einen turbulenten Laufsteg für 55 närrische Zünfte aus Tübingen und Umgebung und von weiter her. Zahlreiche Helfer vom Technischen Hilfswerk (THW) hatten ein Auge auf Umzug und Zuschauer und befragten beispielsweise einen Besucher in Tarnkleidung. Das Publikum war durchaus international. Jedenfalls konnte man außer Schwäbisch auch Spanisch, Englisch, Türkisch und Arabisch hören. Gastgeber in diesem Jahr war die Narrenzunft Tübingen.

Die urigen Riaba-Moschter der Narrenzunft Kusterdingen trugen zu ihren Fleckerl-Kostümen in gemischten Grüntönen Masken mit hölzernen Zapfhähnen als Nasen. Sie hatten Fettstifte dabei, mit denen sie Zuschauern, die ihnen zu nahe kamen, einen grünen Klecks auf die Wange malten. Die Lombakabell Dettenhausen sorgte mit ihrem schönen, getragenen Sound für gute Stimmung.

Einzelne Hästräger scherten verstohlen aus dem Zug aus und machten sich hinter den Absperrungen an nichtsahnende Besucher heran. Doch es kam auch vor,
dass eine auf den ersten Blick
besonders grimmige Hexe einer kleinen Zuschauerin freundlich ein Bonbon reichte.

Kleine Tiger, Katzen, Piraten und Frösche säumten die Straßen, doch die meisten Zuschauer waren nicht verkleidet – von einer Frau im Ganzkörper-Giraffenkostüm abgesehen. Die perfekteste Verkleidung trug vielleicht der dreijährige Oskar Gebhard: Der kleine Tübinger schaute sich seinen ersten Fasnetsumzug durch die Altstadt als stolzer Feuerwehrmann an. Seine Mutter hat ihm das Kostüm genäht und nur den täuschend echt wirkenden Helm mit dem hochklappbaren transparenten Visier dazugekauft. „Da waren ganz viele Hexen“, fasste der Junge seine Eindrücke zusammen. Nein, Angst hat er nicht bekommen: Er schüttelt den Kopf.

Vom Lautsprecherwagen an der Stiftskirche machten die Ehrenzunftmeister Rolf Fischer und Ralph Karau die Honneurs. Manche Ansage hätte man sich vielleicht ein bisschen ausführlicher gewünscht: mehr zur Historie der Figuren und Kostüme. Im Vergleich zu den Vorjahren gab es „weniger Gruppen, aber mehr Leute“, sagte Fischer. „Wir wollten den Umzug unter zwei Stunden halten“, ergänzte Karau, im zivilen Leben Fahrlehrer. „Man kann ja vorher nicht abschätzen, ob es regnet oder schneit.“ Was macht ein Zunftmeister nach dem Umzug? „Repräsentieren!“ lautete die einmütige Antwort, bevor die beiden närrischen Würdenträger zum Feiern in die Hepper-Halle abzwitscherten.

Narren wie Narrenfreunde hatten Glück mit dem Wetter. Es war ein heller Vorfrühlingstag, aber im Schatten immer noch so frisch, dass einzelne Zuschauer sich zwischendurch auf einen Kaffee verabschiedeten, um sich wieder aufzuwärmen.

Ein Junge im glänzenden Drachenkostüm hat sich die närrischen Schauwerte genau eingeprägt: „Manche Hexen haben so ein Netz getragen. Da haben sie eine Frau reingeschubst.“ Und: „Das Riesenmammut war geil.“

Es ist das Wappentiert der Tübinger Steinis, die den Höhlenmenschen nachempfunden sein sollen, die noch vor der letzten Eiszeit durchs Land zogen. Bei der Tübinger Fasnet zeigen sie sich in Leder und Felle gehüllt. Dazu tragen sie Keulen, Knochen und Geweihe. Das Mammut zieht ihren Wagen. Ihr Fasnetsruf ist das beinharte „Knocha-Mark“.

Beim Umzug lassen sich auch ethnologische Vergleiche anstellen: Der Ranzapuffer aus dem Schönbuch ist in der Dettenhäuser Variante ein humoriger Schnauzbart-Träger, in dessen Maske Tannenzapfen integriert sind. In Kirchentellinsfurt blickt er hingegen aus einer Saumaske, die Zunge meist rüsselwärts herausgestreckt.

Die absolute Gruselnummer dürften die Aspenwald-Knechte aus Öschelbronn (siehe Bild) gewesen sein: Hünenhafte Knochenmänner, teilweise mit skelettkahlem Schädel, teilweise mit durchbohrter Zunge. Da versteckten sich kleinere Kinder schnell hinter ihren Eltern.

Sie sind die guten Geister im Hintergrund

Das Technische Hilfswerk (THW) sorgt seit Jahren beim Tübinger Fasnetsumzug für Ordnung und hält Zugangswege frei. Diesmal standen 93 Helfer/innen aus Tübingen, Ofterdingen und Münsingen an den Kassen an 21 Zugängen rund um die Altstadt. Kinder und Jugendliche bis 14 durften gratis hinein. Die Eintrittsgelder fließen an die Fasnetsvereine. „Es war alles recht locker und entspannt“, bilanzierte am gestrigen Sonntagabend Harald Schwertle, Ortsbeauftragter beim THW Ofterdingen. Zudem war der Arbeitersamariterbund (ASB) mit zwei Fahrzeugen vor Ort, um wenn nötig Sanitätsdienst zu leisten. „Das war aber zum Glück nicht nötig“, sagte Schwertle.