Mirjana Karanovic aus Serbien ist Gast bei den Frauenwelten

Stopptaste vor den Kriegsverbrechen

Festival-Gast Mirjana Karanovic aus Serbien bringt in ihrem Regie-Debüt „A Good Wife“ Tatsachen ans Licht, die in in ihrem Heimatland nur wenige wissen wollen.

Festival-Gast Mirjana Karanovic aus Serbien bringt in ihrem Regie-Debüt „A Good Wife“ Tatsachen ans Licht, die in in ihrem Heimatland nur wenige wissen wollen.

30.11.2016

Von Klaus-Peter Eichele

Die serbische Schauspielerin und Regisseurin Mirjana Karanovic ist Gast beim Filmfest Frauenwelten. Bild: Metz

Die serbische Schauspielerin und Regisseurin Mirjana Karanovic ist Gast beim Filmfest Frauenwelten. Bild: Metz

Auch wenn ihr Name den meisten nichts sagen dürfte – das Gesicht Mirjana Karanovics ist fleißigen Kinogängern vertraut. Die serbische Schauspielerin war in mehreren Filmen des bosnischen Regie-Stars Emir Kusturica von der Partie („Underground“, „Das Leben ist ein Wunder“). Stammgäste des Filmfests Frauenwelten kennen sie aus einem der nachhaltigsten Filme der Festival-Geschichte, „Esmas Geheimnis“ aus dem Jahr 2006. Das bosnische Drama behandelte anhand einer Mutter-Tochter-Geschichte die systematische Vergewaltigung von Zivilistinnen während des Bosnienkriegs. Zehn Jahre später präsentiert die 60-Jährige beim Festival nun ihre erste Regie-Arbeit, die die andere Seite der Medaille zeigt – die Seite der Täter.

Karanovic selbst spielt in „A Good Wife“ (Originaltitel: „Dobra zena“) die Titelfigur, eine brave Hausfrau, die mit Mann und Kindern gut situiert im Belgrad der Gegenwart lebt. Eines Tages findet diese Milena beim Aufräumen der Wohnung eine alte Video-Kassette. Die griesigen Aufnahmen zeigen ihren Gatten als Kommandanten eines offenbar wenig zimperlichen serbischen Einsatzkommandos im Bürgerkrieg. Doch bevor das Filmchen ans Eingemachte geht, drückt Milena lieber die Stopptaste – vorerst. Dennoch ist nach dieser Entdeckung in ihrem Leben nichts mehr, wie es einmal war. „A Good Wife“, erzählt Mirjana Karanovic im Interview, fuße auf einer wahren Begebenheit. Tatsächlich hatten sich serbische Milizionäre dabei gefilmt, wie sie wehrlose bosnische Zivilisten misshandelt und ermordet haben. 2005 gelangte das Material an die Öffentlichkeit und wurde sogar im Fernsehen ausgestrahlt. „In den Jahren danach habe ich mir immer wieder überlegt, wie wohl die Angehörigen dieser Killer damit umgehen. Und wie ich selbst reagieren würde, wenn ich wüsste, dass mein Ehemann Unschuldige getötet hat.“ Alles unter dem Teppich lassen? Oder sich von dem Menschen, den man jahrzehntelang geliebt hat, abwenden?

Im Gegensatz zu Karanovic, die sich schon in den 1990-er Jahren gegen den serbischen Nationalismus positioniert hat und mit ihrer Beteiligung an „Esmas Geheimnis“ vollends den Zorn der Rechten auf sich zog, repräsentiert ihre Filmfigur allerdings die im wahrsten Sinne schweigende Mehrheit. Jene, die sich im Bürgerkrieg selbst nichts zuschulden kommen ließen, aber sich schwer mit dem Eingeständnis tun, dass von ihren Landsleuten Kriegsverbrechen begangen wurden. „Sie wollen von der Vergangenheit tunlichst in Ruhe gelassen werden“, sagt  Karanovic. Auch wenn heute offener diskutiert werde, habe sich an dieser Verdrängungs-Haltung seit den 1990-er Jahren im Grunde wenig geändert.

Verbunden fühlt sich die Regisseurin ihrer Filmfigur wiederum dadurch, dass diese, als es darauf ankommt, eine moralisch richtige Entscheidung trifft. Was für Milena umso schwieriger sei, weil sie als Angehörige der älteren Generation serbischer Frauen nie auf eigenen Beinen stand und sich mit ihrer Rolle als Anhängsel ihres Mannes zufrieden gab. „Sich gegen ihren Mann zu stellen, bedeutet, dass sie ihr ganzes Leben in Frage stellt“, so Karanovic. Dennoch ruht die Hoffnung der Regisseurin, dass Serbien irgendwann Verantwortung für seine Vergangenheit übernimmt, vor allem auf den Frauen.

Was der Film selbst bewirkt, ist noch offen. Im Kino haben ihn in Serbien nur wenige gesehen, doch gibt es bald eine Fernsehausstrahlung, von der sich Karanovic eine lebhafte Debatte erhofft. „Die Nationalisten werden vermutlich wieder auf mich spucken, aber das ist mir schon lange egal. Ich weiß, dass ich das richtige tue, um Serbien zu einem besseren Land zu machen.“

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Erstellt:
30.11.2016, 11:09 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 42sec
zuletzt aktualisiert: 30.11.2016, 11:09 Uhr

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