Haltung zeigen gegen Hetze

Staatssekretär Christian Lange zur Herausforderung des Rechtspopulismus

Die AfD ist im Land stärker als die SPD. Und nicht nur dort. Was geht vor sich? Auf Einladung der Kreis-SPD sprach der Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Christian Lange über Populismus.

17.09.2016

Von Jürgen Jonas

Mössingen. „Die SPD muss Haltung zeigen, als Bollwerk gegen rechte Parolen wirken.“ Wenn es nach Christian Lange, parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, geht, wird seine Partei weiter für Demokratie und Meinungsfreiheit eintreten. Begrüßt von der SPD Kreisvorsitzenden Dorothea Kliche-Behnke, versuchte er, am Donnerstagabend im Mössinger Feuerwehrhaus eine Antwort zu geben auf die „Herausforderung durch die Rechtspopulisten.“

Man sei, so Kliche-Behnke, in „sehr großer Sorge. Was passiert da gerade?“ Die SPD-Fraktion zählt im Landtag 19, die der AfD kommt auf 23 Abgeordnete. Europaweit zeigt sich ein Niedergang sozialdemokratischer Parteien, gepaart mit dem Aufstieg von Rechtspopulisten, ob in Österreich, Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden, von Polen und Ungarn ganz zu schweigen. Rechtspopulisten, so Langes Analyse, warten mit irrationalen Parolen auf, Verschwörungstheorien bieten ihren Anhängern Halt in unübersichtlicher Zeit. Ein geschlossenes Weltbild werde, ohne Rücksicht auf Fakten, zum Schutzschirm gegen komplizierte globale Prozesse.

Einfache Erklärungen seien zwar gefragt, aber nicht mehr möglich, ebenso wenig wie ein „Rückzug ins Nationale.“ Rechtspopulisten, so Lange, gelinge es, sich selbst als ausgegrenzt zu präsentieren, als „Opfer der Lügenpresse“ zu stilisieren. Interne Auseinandersetzungen tun ihrem Erfolg keinen Abbruch. Vom „Dämonisieren“ rät Lange ab, „extreme Positionen“ müssten freilich aufgedeckt werden. „Ängste ausnutzen“ sei das Geschäftsfeld der Rechten, Ängste in der Bevölkerung seien jedoch ernstzunehmen, auch wenn sie oft keine reale Grundlage hätten.

Eine als Netzwerk organisierte, rechtskonservative Intellektuellenschicht versuche, mit einem seriös daherkommenden „Überbau“ reaktionäre Positionen durchzusetzen. Die Hunderttausende, die Flüchtlinge unterstützten, seien die „größte Bürgerbewegung“, Deutschland brauche ein Zuwanderungsgesetz, Voraussetzung dafür aber „sichere Außengrenzen“, was das Problem wiederum nach Europa verlagere. Gegen Fremdenfeindlichkeit, aber nicht für „open boarders“, fasste Lange zusammen.

„Zwölf Millionen Menschen haben eine Zeitung abonniert, 28 Millionen nutzen Facebook“, so beschrieb Lange Veränderungen der gesellschaftlichen Kommunikation, die in rauer werdender Atmosphäre zu Hass- und Hetzparolen führen. Und, so warnte er im Blick auf die hohe Zahl von Übergriffen, „vom Wort zur Tat ist nur ein kleiner Schritt.“ Es gelte, die Kommentarspalten nicht den Rechten zu überlassen, Widerspruch im Netz zu erheben, aber auch zum Mittel der Anzeige zu greifen. Der Chef einer „Sicherheitsfirma“ in Bautzen etwa wurde zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil er mitteilte, es würden noch zu wenige Heime brennen. „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Auf Drängen von Justizminister Maas verpflichtete sich Facebook, entsprechende Posts nach Hinweisen innerhalb von 24 Stunden zu löschen.

Die Gäste am Donnerstag beteiligten sich eifrig an der Diskussion. Ob das „Versagen des Sozialstaats“ als Ursache für den AfD-Aufstieg gelten könne? Ob nicht zuviel an Symptomen herumgedoktert werde, eine „Völkerwanderung aus klimatischen Gründen“ stehe erst noch bevor. Die Vertrauensverluste durch die Agenda 2010 seien bis „zum Erbrechen und doch nicht genug“ diskutiert worden, mit ihnen habe ein Paradigmenwechsel stattgefunden. „Eine Vision“ der SPD wurde vermisst, „radikale Forderungen“ etwa nach Steuergerechtigkeit könnten vielleicht helfen.

Beklagt wurde der „Einheitsbrei der Parteien“ mit inhaltslosen Plakaten und ähnlicher Phraseologie. Man erkenne die SPD nicht mehr. Was vielleicht auch für ihre Mitglieder gilt. Das eine Mitglied nimmt an der heutigen TTIP-Demo teil, das andere verurteilt die Gegner des Freihandelsabkommens als Anhänger einer Verschwörungstheorie.

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Erstellt:
17.09.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 38sec
zuletzt aktualisiert: 17.09.2016, 01:00 Uhr

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