Reutlingen im Flow

Skateboarder und Roller-Kids kommen sich im neuen Skatepark in die Quere

Ob die neue Skateanlage jetzt eher für die Profi-Skateboarder oder für die Skatekids auf ihren Scootern und BMX-Rädern gemacht wurde – da gehen die Meinungen auseinander. Bei einem ist sich die Reutlinger Szene aber einig: Die Skateanlage ist eine Bereicherung für die Stadt – voll und ganz gelungen.

24.08.2016

Von Valerie Haydt

Ob mit Skateboard, Stunt-Scooter oder BMX – auf der neuen Skateanlage neben der Stadthalle geht es hoch her.Bild: Faden

Ob mit Skateboard, Stunt-Scooter oder BMX – auf der neuen Skateanlage neben der Stadthalle geht es hoch her.Bild: Faden

Reutlingen. „Gegen zehn Uhr stehe ich auf, um halb zwölf bin ich spätestens hier“. Der 13-jährige Emil aus Reutlingen hält nicht mehr viel von Zocken am Handy: Der neue Skatepark an der Stadthalle ist da um einiges cooler. „Jetzt in den Ferien kommen wir jeden Tag und wenn Schule ist: Jeden zweiten“, sagen Emil und sein Kumpel Leon, 11.

Die Jungs sind der Meinung, dass der Skatepark für „zwei Rollen“ am besten geeignet sei. Sie fahren deshalb mit BMX, sowie Stunt Scooter – einem Roller, der extra stabil ist und einen breiteren Lenker hat. Eine Menge blauer Flecken, Schürfwunden und offener Knie haben sie sich geholt, seit dem der Skatepark vor 10 Tagen freigegeben wurde. „Ich hab mir alle möglichen Finger gestaucht“, sagt Emil, der gerade daran übt, seinen Roller in der Luft einmal um die Lenkerstange zu drehen – der „Tailwhip“. Leon trainiert mit seinem BMX-Rad vor allem auf Schnelligkeit, da er bald an einem Wettkampf teilnehmen will. Sie schätzen die vielen „tollen Höhenunterschiede“ der Anlage, finden die Steile und die Rampen cool.

Das Einzige, was Emil und Leon im neuen Skatepark nervt, sind Kids, die sich nicht an die Regeln halten. Ab acht Jahren darf man entweder mit Skateboard oder BMX-Rad durch den großen Beton-Pool fahren. Selbst mit dutzenden Schützern oder wenn Eltern am Piperand sitzen – kleine Jungs und Mädchen auf rosafarbenen Barbie-Rädchen haben in der Skateranlage nichts verloren. Mit den Eltern gebe es sowieso viel Stress, meint der Oberlin-Schüler Leon. Es sei auch schon die Polizei angerückt, weil es zu Konflikten zwischen Eltern und Skatern gekommen sei. Dabei gelte der einfache Grundsatz: „Tolerierst du mich, toleriere ich dich.“

Nicht alle Eltern stören die Skaterharmonie und verursachen Stress. Ein 12-jähriger Leon und seine Mama sind extra aus Nehren angereist. Der Stunt-Scooter-Fahrer und seine Freunde hätten auf die Anlage „heiß hingefiebert“, sagt seine Mutter. Sie unterstützt das Hobby ihres Sohnes: „So kommt er an die frische Luft.“ Sie sieht es als Gegenbewegung zum „Handy-Zocken“ und würde sich einen solchen Skatepark auch bei ihnen im Dorf wünschen.

„Wir Skateboarder können untereinander abschätzen, welche Wege wir fahren, doch bei Kindern auf Rollern und Fahrrädern fällt es uns schwer. Da kommt es schnell zu Zusammenstößen“, gibt Joe Beckert, 36, aus Berlin zu bedenken. „Es ist schade, dass sich die Skater hier so sehr für die Anlage engagiert haben und dann von kleinen Kindern ausgebremst werden“, sagt er. Die Kleineren fänden es toll, dass man in der Pipe in Schwung komme und rausspringen könne. In Berlin gäbe es kleinere Alternativen für Kids, um Erfahrung zu sammeln und die Regeln zu lernen.

Beckert skatet seit 27 Jahren, ist derzeit in Reutlingen zu Besuch und wollte die Skateanlage einmal ausprobieren und Fotos der Anlage in seinem Online-Skate-Magazin veröffentlichen. Wie die Winkel zueinander stehen, der Radius der Anlage verläuft und vor allem der gute Beton der Anlage – der erfahrene Skateboarder ist von dem neuen Reutlinger Skatepark beeindruckt. „Die Anlage hat einen ganz besonderen Flow.“ Er findet es beachtlich, dass man einen Skatepark bewusst in die Stadt und in die Gesellschaft integriere. „In 99 Prozent der Skateparks in Deutschland hat das nicht so gut funktioniert.“ Viele seien außerhalb der Stadt wegen des Lärms, den Skater anscheinend verursachen. Reutlingen sei die einzige Stadt neben Malmö in Schweden, in der ein Skatepark zum „Thema in der Stadt“ wurde. „Das ist hier wirklich gelungen.“

Dazu haben die Jugendlichen selbst viel beigetragen. „Wir haben uns oft mit den Skatern abgesprochen und die Wünsche an den Architekten weitergegeben“, hat die 18-jährige Victoria Heinzmann vom Vorstand des Jugendgemeinderats beim Spatenstich im Februar gesagt. Zu einer Sitzung der Arbeitsgruppe seien sogar über 100 Personen erschienen – vom Zehnjährigen bis zum Mittdreißiger.

Die Anlage hat 260 000 Euro gekostet

Mit der Skateanlage im Bürgerpark ist ein lang gehegter Wunsch der Reutlinger Jugendlichen in Erfüllung gegangen. Der Park kostet 260 000 Euro und ist seit wenigen Tagen in Betrieb. Offiziell übergeben wird die Anlage allerdings erst am 12. September, dem ersten Schultag nach den Sommerferien. Die Skateanlage ist am 19. November vergangenen Jahres vom Reutlinger Gemeinderat mit 25:12 Stimmen beschlossen worden. Nur 9 CDU-Mitglieder und 3 von der WiR-Fraktion votierten dagegen. Zu der Sitzung waren gut 80 Jugendliche teilweise mit Skateboards in den Großen Sitzungssaal gekommen und jubelten nach der Abstimmung.

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Erstellt:
24.08.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 18sec
zuletzt aktualisiert: 24.08.2016, 01:00 Uhr

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