Wilhelm Triebold über das LTT und die AfD

Sind im (und am) Theater immer nur die Guten?

Keine Frage. Thorsten Weckherlin will ein guter Intendant sein. Er will auf der richtigen Seite stehen, aber keinen zurücklassen, getreu dem Brecht-Motto: „Keinen verderben lassen / auch nicht sich selbst / jeden mit Glück zu erfüllen / auch sich, das ist gut.“

25.07.2017

Von Wilhelm Triebold

Inszenierung von Sibylle Bergs „Viel gut essen“ am Landestheater Tübingen. Bild: LTT

Inszenierung von Sibylle Bergs „Viel gut essen“ am Landestheater Tübingen. Bild: LTT

Als der Landestheater-Intendant in dieser Spielzeit selber inszenierend Hand anlegte in seinem Haus, wählte er sich geradezu programmatisch ein Stück aus, das zum Thema besser passte als das Auge auf den „Faust“ oder auch auf andere Klassiker: Sibylle Bergs „Viel gut essen“. Es reproduziert die Tiraden eines Wutbürgers. „Keine rechtsradikale Dumpfbacke, sondern ein gebildeter, gewitzter Kerl“, erklärte Regisseur Weckherlin vor der Premiere. Und: „Dieser Anti-Held kann ein AfD-Anhänger sein.“ Aber eben auch „ein Mensch, mit dem man Verständnis haben kann.“

Dabei hegt Weckherlin, Gott bewahre, keinerlei Sympathie fürs dumpfbackige Juste Milieu. Aber er nimmt es tapfer in den Blick. „Wir Theaterleute sind ja gern moralisch überlegen, ich erst recht“, äußerte er sich in einem Interview. „Auch unsere Besucher. Auf unseren Premierenpartys muss ich lange nach jemandem suchen, der für Trump, die AfD oder die Scharia ist. Theater ist oft elitär. Mein Wunsch wäre aber, dass eben auch die Pegida-Anhänger, dass die AfD-ler da sind.“ Und als TAGBLATT-Wochengast fragte sich Weckherlin: „Wie schaffe ich es, dass nicht nur ,die Guten’ ins Theater kommen?“

Nun ahnt halt auch ein Intendant nicht, wo das Publikum sein Kreuzchen macht in der Kabine. Doch was, wenn sie schon da sind, die AfD-Fans? Womöglich näher, als man denkt? Verblüffend neulich Weckherlins Auftritt auf der Dresdner Intendantentagung und somit im 3-Sat-Magazin „Kulturzeit“. Wie müsse man Haltung zeigen, sprach er in die Kamera, wenn sich das AfD-Potenzial in der eigenen Mitarbeiterschaft widerspiegle: „Denn abwegig ist das nicht.“ O-Ton Weckherlin in der Sendung: „Ich habe das auch letztens bei uns auf einer Leitungskonferenz gesagt. Wir sind 121 Mitarbeiter, 20 Prozent sind bestimmt AfD-affin. Ein Aufschrei: Quatsch, wir doch nicht am Landestheater in Tübingen! Aber natürlich, warum denn nicht ...“

Den Aufschrei gab’s danach zuhause gleich nochmal, bestätigt Ralph Hönle. Auch der Personalratsvorsitzende des Theaters fand Weckherlins Dresdner Auslassungen gelinde gesagt „irritierend“ und ein „fatales Signal nach außen“: Wenn sogar „die alten linken Institute“ wie das LTT fälschlich im Verdacht stünden, überproportional der AfD zuzuneigen, mache man diese salonfähig und verniedliche sie. „Das wird sicher ein Thema bei der nächsten Vollversammlung“, glaubt der Personalrat, der in Absprache mit den Ensemblesprechern erstmal nichts unternahm: „Wir tun ihm den Gefallen nicht.“

Thorsten Weckherlin. Archivbild: Sommer

Thorsten Weckherlin. Archivbild: Sommer

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Erstellt:
25.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 11sec
zuletzt aktualisiert: 25.07.2017, 01:00 Uhr

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