Wo Graf Eberhard schlief

Serie zur Neckargasse: das Haus des Rektors

In der Neckargasse 3 wohnte der Gelehrte Johannes Nauclerus (1425-1510), dessen Geburtsname Johannes Vergenhans war. Als Vertrauter Graf Eberhards im Bart war er maßgeblich an der Gründung der Universität Tübingen beteiligt. Er wurde ihr erster Rektor (1477/1478) und diente ihr später als langjähriger Kanzler (1482 bis 1509). Graf Eberhard im Bart hat seinen engen Berater mehrfach besucht und in dessen Haus gewohnt.

28.07.2016

Von Udo Rauch

Tübingen. Philipp Melanchthon schrieb später über das vertraute Verhältnis zwischen Graf Eberhard und seinem bürgerlichen Ratgeber: „Wann er [Graf Eberhard] zu Tübingen war, schickte er gemeiniglich sein Gefolge auf das Schloss. Er selbst kehrte in das kleine, aber der Kirche nahe Haus des Nauclers ein. Denn dieser war ein ausnehmend gelehrter und höchst rechtschaffener Mann und, wie Reuchlin von ihm sagte, besonders gerade in seinen Urteilen. Hier nun stunden sie allezeit vor Tag auf, verrichteten ihr Gebet und unterredeten sich dann drei Stunden miteinander. Hernach gingen sie in die Kirche. Ihre Unterredungen von der Kirche, von Gott, von der Regierung des Staats, von nächst bevorstehenden Gefahren waren so großer Männer würdig und voll Weisheit.

Und so war der fürstliche Hof in der kleinen Wohnhütte jenes alten Lehrers beschaffen, der Hof, welcher an Bescheidenheit, Mäßigung und Unsträflichkeit den Zusammenkünften der beiden Einsiedler des Paulus und Antonius gleich war, aber sie an Nutzen noch übertraf. Denn durch die Beratschlagungen, die man an demselben anstellte, wurde das ganze Land, Gerechtigkeit, Friede und Ordnung erhalten.“ Udo Rauch
Der Beitrag ist Teil einer Reihe von Beiträgen zur Geschichte der Neckargasse. Anlass ist deren Sanierung. Autor ist Stadtarchivar Udo Rauch.