Lehre

Seminar fast ohne Ton-Probleme

Diskutieren per Videoschalte: In einem standortübergreifenden Seminar haben sich Tübinger Studierende mit Gefahren für den Frieden in Europa beschäftigt.

15.07.2017

Von Philipp Koebnik

Rund 25 Tübinger Studierende der Politikwissenschaft haben an dem neuartigen standortübergreifenden Ringseminar teilgenommen. Bild: Metz

Rund 25 Tübinger Studierende der Politikwissenschaft haben an dem neuartigen standortübergreifenden Ringseminar teilgenommen. Bild: Metz

Videokonferenzen bringen nicht nur weit entfernte Freunde oder Kollegen zusammen – ganze Uni-Seminare laufen heute darüber. So haben Tübinger Politik-Studierende an einem standortübergreifenden Ringseminar per Videoschalte zum Thema „Gefährdung des Friedens in Europa?“ teilgenommen.

„Könnt ihr mich hören, Freiburg? Tübingen?“, fragt die Hamburger Sitzungsleiterin Patricia Konrad die verschiedenen Standorte ab. Die angesprochenen Studierenden winken oder heben die Daumen hoch. Das Seminar kann beginnen. Heute geht es um den Ukraine-Konflikt und die europäische Militärpolitik. Die Sitzungen davor drehten sich unter anderem um die Euro-Krise, den „Brexit“, Migration und Rechtspopulismus.

An dem Seminar haben rund 130 Studierende von sechs Universitäten teilgenommen: Tübingen, Freiburg, Düsseldorf, Hamburg, Mainz und Marburg. Wissenschaftler verschiedener Universitäten und Forschungsinstituten steuerten Vorträge bei, mit denen sich die Studierenden auseinandersetzten.

Die Sitzung beginnt mit einem Referat. Als erster spricht ein Marburger Kommilitone, der den Ukraine-Konflikt grob darstellt. Die Qualität der Übertragung ist gut. Nur hin und wieder ist ein Knacksen zu hören, wenn der Referent etwas zu laut ins Mikro spricht. Die Seminarteilnehmer sind ruhig und konzentriert. Die meisten haben ein Notebook dabei, manche schreiben auch auf Papier mit.

Plötzlich ertönt ein krachendes Tröten – offenbar hat sich der Referent die Nase geschnäuzt. Einige im Raum haben sich sichtlich erschrocken. Eine Tübinger Studentin übernimmt den nächsten Teil des Referats. Unterdessen prüft Hiwi Moritz Bürger, der große Kopfhörer aufgesetzt hat, das Ausgangs-Audiosignal, damit die Kommilitonen an den anderen Standorten alles gut mitverfolgen können.

Auf einem großen Bildschirm in dem Seminarraum ist entweder die Sitzungsleiterin zu sehen oder man sieht Folien – die Referenten hört man nur. Als die Tübingerin Lea Augenstein mit ihrem Vortrag beginnt, gibt es kurz ein Problem mit dem Ton. Doch das gibt sich schnell wieder. Augenstein und ein Freiburger Kommilitone ordnen den Ukraine-Konflikt friedenstheoretisch ein und fragen nach Folgen für den Zusammenhalt in der EU.

Dann diskutieren die Studierenden an ihrem jeweiligen Standort über Szenarien der militärischen Zusammenarbeit in der EU, bevor sie die Ergebnisse im großen Plenum zusammentragen. Jede Uni repräsentiert eine Gruppe von Staaten. Die Tübinger sollen im Namen der Benelux-Länder sprechen. Fast alle Seminarteilnehmer begrüßen eine stärkere militärische Kooperation. Nur ein Kommilitone sieht die Entwicklung kritisch. Er mag sich keine EU-Militärmacht neben den USA, Russland und China vorstellen. Stattdessen sei eine „weltweite Entmilitarisierung“ nötig, findet er.

„Die Studierenden waren gezwungen, sich standortübergreifend auszutauschen und gemeinsam online vorzubereiten“, sagt Dozent Alexander Kobusch. Die Veranstaltung habe somit auch dazu gedient, Kompetenzen zu erwerben, die in der zunehmend vernetzten Arbeitswelt wichtig seien, so Kobusch, der das Seminar zusammen mit dem Friedensforscher Prof. Thomas Nielebock leitete.

Alles in allem habe ihr die Veranstaltung gut gefallen, sagt Sonja Grässle. „Die politikwissenschaftlichen Institute der anderen Unis haben andere Schwerpunkte, woraus sich unterschiedliche Sichtweisen auf bestimmte Themen ergeben“, findet die 23-Jährige. Die Diskussionen seien angeregter gewesen als bei anderen Seminaren, allerdings „teilweise zu wenig tiefgehend“. Das liege wohl daran, dass pro Sitzung eine Krise behandelt wurde – statt eine einzige Krise, über das Semester verteilt, möglichst umfassend zu analysieren.

„Es waren andere Professoren dabei, die eine Menge Input gegeben haben“, sagt Studentin Klara Latz. Ihre Meinung deckt sich mit den Ergebnissen einer Umfrage unter den Seminarteilnehmern. Die Idee, eine Veranstaltung an mehreren Standorten abzuhalten, um so Fachwissen zu bündeln, finden die meisten gut. Im Durchschnitt gaben die Studierenden dem Konzept die Note 2+. Indes war für die meisten nicht die Lehrform der Grund, weshalb sie sich für dieses Seminar entschieden haben – sie interessierten sich einfach für das Thema.

Ein Seminarkonzept, das den Austausch fördern soll

Bei einem Treffen der interdisziplinären AG Friedens- und Konfliktforschung, einem bundesweiten Hochschulverband, entstand 2015 die Idee, bestimmte Themen im Verbund zu erarbeiten. 2016 gab es dann eine erste standortübergreifende Ringvorlesung zum „Islamischen Staat“. Das nächste Projekt sollte jedoch stärker den Austausch fördern. Deshalb entschied man sich für ein Seminar, das auch Raum für Diskussionen bietet.

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Erstellt:
15.07.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 02sec
zuletzt aktualisiert: 15.07.2017, 01:00 Uhr

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