Ruhige Kundgebung der Linken – ganz ohne die Rechten

Rund 150 nehmen der Gegenseite vorsorglich den Raum

Weil linke Kreise im Internet Wind bekommen hatten, dass Rechtsextreme angeblich eine Kundgebung zum Gedenken an die am Sonntag von einem Syrer getötete Polin abhalten wollten, meldeten die beiden Kommunalpolitiker Jessica Tatti und Timo Widmaier am Dienstag spontan zwei Versammlungen für den Listplatz beim Bahnhof und für den Federnseeplatz an.

28.07.2016

Von dem

 Bild: Faden

Bild: Faden

Reutlingen. „Wir wollten den Raum gegen die Rechten besetzen“, sagte Tatti. Rund 150 Personen waren zum Listplatz gekommen – viele Jugendliche, aber auch gestandene Kulturschaffende oder Stadträte. „Das am Sonntag war eine Beziehungstat. Nur weil der Mann Syrer ist, darf der Fall nicht für politische Zwecke missbraucht werden“, sagte Rüdiger Weckmann, Kreisvorsitzender der Reutlinger Linken. Eine Lehrerin der Volkshochschule, die Deutsch als Fremdsprache lehrt, aber nicht genannt werden will, sagte: „Ich habe mit Syrern zu tun. Das waren anfangs traurige Leute, die hier aufgeblüht und angekommen sind. Doch jetzt sind sie völlig zerstört wegen dem ganzen Scheiß auf Facebook!“

Derweil freute sich Tatti über die gute Mobilisierung und verbuchte als Erfolg, dass gar keine Rechten aufgetaucht waren. Letztlich waren aber doch etwa zehn Mitglieder der „Identitären“ gegen 17.30 Uhr auf den Marktplatz gekommen, wie zuvor beim Ordnungsamt angemeldet. Sie entfalteten ein Transparent mit der Aufschrift „Remigration – Die Integration ist gescheitert“ und fotografierten sich. Nach fünf Minuten waren sie wieder verschwunden – ohne dass ihre Gegner etwas gemerkt hätten. Ähnliches wiederholten sie kurz vor 18.30 Uhr am Gartentor.

Am Samstag will sich um 15 Uhr eine Gruppe Syrer auf dem Marktplatz erklären, kündigte Günter Jung vom Arbeitskreis Flüchtlinge an: „Sie distanzieren sich scharf von der Tat ihres Landsmanns und bedanken sich für die Hilfe, die sie hier erhalten.“ Für 18 Uhr ist ein Trauerzug von Polen angemeldet (siehe Meldung unten). Gegen 19 Uhr wurde die Kundgebung am Listplatz beendet – und der Gang zum Federnseeplatz erst gar nicht angetreten. Die Reutlinger Polizei hatte Unterstützung vom Präsidium Einsatz in Göppingen erhalten, darunter waren auch sechs Berittene.