Blindenfußball

Ruhe bitte! Das Spiel beginnt

Seit 2007 gibt es in Deutschland eine Nationalmannschaft. Nun findet zum ersten Mal die Europameisterschaft im eigenen Land statt.

22.08.2017

Von JOHANNES IHLE

Auch wenn die Spieler blind sind, müssen sie ein sogenanntes „Eye-Pad“ tragen, um einen eventuellen Sehrest auszugleichen. Die deutschen Nationalspieler müssen zusätzlich einen Kopfschutz tragen, um vor einem Zusammenstoß zu schützen. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Auch wenn die Spieler blind sind, müssen sie ein sogenanntes „Eye-Pad“ tragen, um einen eventuellen Sehrest auszugleichen. Die deutschen Nationalspieler müssen zusätzlich einen Kopfschutz tragen, um vor einem Zusammenstoß zu schützen. Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Berlin. Einmal die Augen schließen, ein paar Schritte gehen, schon verliert man die Orientierung. Und dann auch noch einen Ball ins Tor befördern? Fast unmöglich mag man sich denken. Seit ein paar Jahrenzehnten tun dies rund 20 Länder auf der Welt aber sehr erfolgreich. In Deutschland gibt es erst seit dem Jahr 2007 eine Nationalmannschaft, im Jahr darauf wurde eine Bundesliga gegründet. International messen sich Deutschlands beste Blindenfußballer aktuell bei der Europameisterschaft in Berlin (18. bis 26. August) mit der Konkurrenz.

Halbfinale als Ziel

„Wir sind gut drauf“, sagt Co-Trainer Enrico Göbel. „Wir haben momentan die beste Mannschaft, die wir jemals hatten.“ Die Zielsetzung: Halbfinale. „Und wie in jedem Sport, ist dann alles möglich“, sagt der ehemalige Torwart der deutschen Blinden-Nationalmannschaft, der seit vergangenem Jahr Cheftrainer Ulrich Pfisterer an der Seitenlinie unterstützt.

Das Besondere für ihn ist beim Blindenfußball, dass man diesen Sport nur gemeinsam machen kann. „Eine Kombination aus Sehenden und Blinden ist nötig. Team-Geist und Kommunikation sind gefragt.“ Die vier Feldspieler sind blind, lediglich der Torwart kann sehen. Zudem zeige der Sport, dass auch blinde Menschen sehr guten Fußball spielen. Zuschauer sind oftmals erstaunt: „Man hört oft: ,Ah, die sind ja blind.‘ Das ist schon toll.“

Zu den wichtigsten Merkmalen des Blindenfußballs gehören neben einem guten Gehör auch Orientierungssinn, Intuition und Körperbeherrschung. Durch eine spezielle Lauftechnik scheint der Ball am Fuß zu kleben, was den Sport schnell macht.

Kommunikation ist A und O

Aber wie orientieren sich denn die Spieler? „Sie haben ein gutes Gefühl dafür, wie der Platz aussieht, auch wenn sie logischerweise nicht sehen können, wo die Bande ist und wo sie sich auf dem Platz befinden“, erklärt Göbel. Zudem wird viel über die Kommunikation gearbeitet. Dabei kommen der sehende Torwart, der Trainer an der Seitenlinie und ein Guide hinter dem gegnerischen Tor ins Spiel. Damit aber nicht alle gleichzeitig rufen, ist das Spielfeld (40 auf 20 Meter) in drei Bereiche eingeteilt: Rund um die Mittellinie ist der Trainer zuständig, vor dem eigenen Tor der Torwart und in der gegnerischen Hälfte der Guide. Damit die blinden Spieler dem Ball folgen können, befinden sich in dessen Inneren Rasseln.

Der wohl wichtigste Begriff im Blindenfußball ist das spanische Wort „voy“ („ich komme“). Wenn ein Spieler auf das Rasseln des Balles zuläuft, muss er diesen Begriff rufen, um einen Zusammenstoß mit dem gegnerischen Spieler zu vermeiden. Tut er dies nicht, gibt es ein Foul. Der Torguide arbeitet viel mit Zahlen. Kurze, knackige Angaben sind gefordert, da es schnell gehen muss: „Acht Schuss“ ist zu hören. Das heißt: Acht Meter Abstand zum Tor und dass der Spieler schießen soll. Auch gängig ist „zehn zwei“: zehn Meter zum Tor, zwei Gegenspieler vor sich.

Aber nicht nur für die Spieler selbst ist beim Blindenfußball einiges anders, sondern auch für die Zuschauer. Damit die Spieler auf dem Feld die Anweisungen und den rasselnden Ball hören können, ist das Jubeln und Anfeuern während des Spiels nicht erlaubt – ähnlich wie beim Tennis. Zudem tragen viele Zuschauer Kopfhörer. Denn jedes Spiel wird von Reportern live kommentiert. Nicht nur blinde Zuschauer erhalten somit die Möglichkeit, am Spielgeschehen teilzunehmen, sondern auch die Auswechselspieler auf der Bank.

Fußball-Klassiker gegen Italien

Mit dem Einzug ins Halbfinale bei der Europameisterschaft würde sich die deutsche Nationalmannschaft automatisch für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Spanien qualifizieren. Zehn Mannschaften nehmen an der EM teil, die beiden Gruppenersten kommen weiter. Das erste Spiel der Gruppenphase gewannen die Deutschen mit 2:0 gegen Italien, das zweite verlor man 1:2 gegen Mitfavorit Frankreich. Zwei weitere Partien folgen noch, bevor feststeht, ob sie ihr Minimalziel erreichen.

Info Alle Spiele der EM werden auf Facebook, Youtube und auf der offiziellen Internetseite der Euro 2017 übertragen.

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Erstellt:
22.08.2017, 06:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 59sec
zuletzt aktualisiert: 22.08.2017, 06:00 Uhr

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