Vereinsarbeit auf der Kippe

Rückkehr nicht ganz freiwillig: Jörg Baumann leitet wieder den Musikverein Entringen

Es hatte nicht viel gefehlt, und der Musikverein Entringen hätte seine Auflösung bekanntgeben müssen. Doch gelang es am Samstag, einen neuen Vorstand zu wählen. Zuvor allerdings hielt der neue Vereinsvorsitzende seiner Truppe eine Standpauke.

12.04.2016

Von Philipp Koebnik

Jörg Baumann Bild: Koebnik

Jörg Baumann Bild: Koebnik

Entringen. Seit einem Jahr hatte der Musikverein Entringen keinen Vorsitzenden. Der ehemalige Chef Jörg Baumann war nach elf Jahren nicht mehr angetreten, es ließ sich aber auch kein anderer finden. Der stellvertretende Vorsitzende Markus Fleck leitete den Verein seither kommissarisch. Bis zuletzt war unklar, ob es gelingen würde, bei der 63. Jahreshauptversammlung am vergangenen Samstag einen neuen Vorstand zu wählen – und somit die drohende Vereinsauflösung abzuwenden. „Ich hoffe, dass es zu diesem Schreckensszenario nicht kommt“, hatte Fleck zu Beginn gewarnt.

Die aktive Kapelle eröffnete die Versammlung musikalisch mit „Musik ist Trumpf“ und „O Vitinho“, einem portugiesischen Marsch. Doch gleich zu Beginn des offiziellen Teils sank die Stimmung merklich. Der scheidende kommissarische Vorsitzende Fleck blickte auf das vergangene Jahr zurück und nahm dies zum Anlass, grundsätzliche Kritik zu üben. „Was die Anwesenheit betrifft, sieht es nicht gut aus.“ Im Durchschnitt waren lediglich 62 Prozent der Vereinsmitglieder bei den Proben – das sind neun Prozent weniger als im Jahr zuvor. Bei den Auftritten des Vereins waren 60 Prozent anwesend. „Das muss besser werden“, ermahnte Fleck die Mitglieder. Noch nie habe man wohl so viele Aushilfen einkaufen müssen wie 2015. „Das belastet auch unsere Kasse.“

Der Musikverein Entringen zählt 50 aktive Mitglieder, davon sind 15 unter 18 Jahren. Außerdem hat er 100 fördernde Mitglieder. Noch vor wenigen Jahren habe man 150 gehabt, so Fleck. Schlimmer wiege aber das abnehmende Engagement der Aktiven. „Viele Vereine spüren eine zurückgehende Bereitschaft zum Ehrenamt“, kritisierte er.

Den Bericht des Jugendleiters Michael Baumann, der verhindert war, verlas Fleck. Die Kernaussage: Es wird immer schwieriger, junge Menschen für den Instrumentalunterricht zu gewinnen. Das liege zum einen daran, dass es viele andere attraktive Freizeitangebote für Jugendliche gibt. Außerdem jedoch hätten es die Vereine nicht leicht, weil inzwischen viele Schulen Bläserklassen haben. Dort ist der Unterricht kostenlos.

Ein weiterer Faktor sei der ausgedehnte Schulunterricht, der heutzutage weniger Freiraum lasse. Auch Steffen Haap, stellvertretender Vorsitzender des Blasmusikverbands Neckar-Alb, betonte in seinem Grußwort die Notwendigkeit, junge Leute für den Verein zu gewinnen. Denkbar seien auch Kooperationen mit Bläserklassen.

Einstimmig entlastete die Versammlung den Vorstand. Nach den Ehrungen – unter anderem wurden Margot Hug, Marlon Ries und Julia Schumacher für ihre 20-jährige aktive Tätigkeit im Verein ausgezeichnet – standen die Wahlen an. „Jetzt wird‘s spannend“, sagte Fleck. Einstimmig wählte die Versammlung Manuel Maurer zum neuen Jugendleiter – er war von seinem Vorgänger Michael Baumann vorgeschlagen worden. Wiedergewählt wurden Ulmer, die Kassenprüfer Thomas Fleck und Gerhard Kast, sowie fünf von sieben Beisitzern.

Als neuer Vorsitzender vorgeschlagen wurde lediglich Jörg Baumann. Der Vorstand hatte ihn einige Wochen zuvor angesprochen. „Für mich kam das sehr überraschend“, sagte Baumann. Er forderte Fleck auf zu erklären, weshalb er sich nicht zum Vorsitzenden wählen lassen wolle. Nicht nur liege ihm diese Rolle nicht, so Fleck, er habe zudem sowohl privat als auch beruflich derzeit andere Prioritäten. Überdies kritisierte der 35-Jährige das mangelnde Engagement vieler Mitglieder.

Dieser Kritik schloss sich Baumann an. „Ich habe bis heute mit mir gerungen.“ Vor einem Jahr sei er „völlig ausgebrannt“ gewesen. „Ich bin nur bereit, das Amt zu übernehmen, wenn es nicht so weiterläuft wie bisher.“ Scharf kritisierte er, dass viele keinerlei Wir-Gefühl verspürten, sich beim Spielen nicht richtig Mühe gäben, zum Teil sogar nicht zu Auftritten erschienen. Eine Anwesenheitsquote von 60 Prozent sei „eine absolute Katastrophe“. Jedes Mitglied müsse sich tatkräftig, entsprechend seiner Möglichkeiten, für den Verein einsetzen. Er stellte klar: „Ich werde das vehement einfordern, sollte ich gewählt werden.“

Das Votum fiel deutlich aus: 39 der 44 Wahlberechtigten stimmten für den 60-jährigen Fachwirt, fünf enthielten sich. Baumann bedankte er sich für den Rückhalt – er sehe das Ergebnis als Bestätigung dafür, dass nun alle an einem Strang ziehen wollen. Zu seiner Stellvertreterin wählte die Versammlung die 27-jährige Verwaltungsbeamtin Katharina Fleck.

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Erstellt:
12.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 01sec
zuletzt aktualisiert: 12.04.2016, 01:00 Uhr

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