Tübingen

Reicht nicht aus

Kritik am Kapital- und Marx-Verständnis der Künstlerin Christin Lahr, die zur Zeit in der Tübinger Kunsthalle ausstellt.

16.03.2017

Von Tobias Kröll, Tübingen

Es wäre schön, wenn man lesen würde, was Philosophen geschrieben haben, bevor man eine Meinung dazu hat, sagt Christin Lahr. Nun ist es sicher nicht jedermanns und -fraus Sache, die „Mega“ zu lesen. Um Grundgedanken zu verstehen, ist das auch nicht nötig. Lesen alleine reicht jedoch nicht aus.

„Wie jeder Kapitalist akkumuliere ich Kapital“, sagt die Künstlerin. Laut Marx ist ein Hauptmerkmal von Kapitalisten die Re-Investition von Kapital, um noch mehr Kapital zu bekommen und nicht alleine das Sammeln von Kapital (das wurde im Feudalismus auch schon gemacht). Erreicht wird das letztlich über das Abschöpfen („Ausbeuten“) von dem durch anderer Menschen Arbeitskraft geschaffenen Mehrwert. Das ist ein Kern zum Verständnis, warum die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht.

Marx hat eine Analyse geleistet, die auch heute noch einen hohen Erklärungswert hat. Gesellschaftsmodelle hat er jedoch nicht entwickelt, wie Lahr behauptet. In der „Deutschen Ideologie“ hat er lediglich das Ideal einer gemeinschaftlich organisierten Ökonomie skizziert, „wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun (...)“. Frigga Haug hat in ihrer "4-in einem- Perspektive" (http://www.vier-in-einem.de/) dieses Ideal aktualisiert und weiter ausgeführt. Nicht als Vorgabe, sondern als Denk-Anregung!