Tübingen

Realitätsverlust

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer sieht sich durch das relativ schlechte Abschneiden der AfD in Tübingen bestätigt.

28.09.2017

Von Matthias Schuh, Tübingen

Boris Palmers Interpretation, das relativ schlechte Abschneiden der AfD in Tübingen sei auf seinem eigenen, monatelang sorgsam gepflegten und verbreiteten populistischen Mist gewachsen, kann man nur noch als kompletten Realitätsverlust bezeichnen. Auch 5 Prozent (lediglich in Tübingen-Innenstadt!) für eine in weiten Teilen völkisch-nationalistische Rechtsaußenpartei sind 5 Prozent zu viel. Gerade Herr Palmer hat im Vorfeld dieser Wahl erheblich dazu beigetragen, die irrationalen Ressentiments sogenannter „besorgter Bürger“ zu verstärken und den völkischen Diskurs wieder hoffähig zu machen – nun angeblich mit dem hehren strategischen Ziel, der AfD das Wasser abzugraben.

Diese „Strategie“ kann angesichts des Wahlausgangs nur als grandios gescheitert bezeichnet werden. Aus Kreisen „besorgter Bürger“ war ja bezüglich Herrn Palmer schon oft zu hören, dass der zwar die „rechte“ Meinung habe, aber leider in der falschen Partei sei. Natürlich haben diese „besorgten Bürger“ nun doch lieber das Original gewählt.

Sonderbar auch die Palmersche Vorstellung, die Grünen könnten sich als Mitglieder einer Regierungskoalition in Sachen Flüchtlingspolitik quasi die humanitären Rosinen aus dem Kuchen picken und gleichzeitig den Koalitionspartnern der CDU/CSU das schmutzige Abschiebegeschäft in die Schuhe schieben. Selbstverständlich werden die Grünen als Mitregierende mitverantwortlich sein, wenn es bald um weitere Verschärfungen der ohnehin schon zynischen Abschiebepolitik der Vorgängerregierung gehen wird.