Jahrelang aus dem Tresor bedient

Prozessauftakt gegen zwei Metzinger Beamte der Landesoberkasse

Zwei Metzinger Beamte der Landesoberkasse haben zwischen 2012 und 2016 mehr als 382.000 Euro veruntreut. Vor dem Landgericht geben sie die Taten zu.

24.10.2017

Von Matthias Reichert

Symbolbild: Sommer

Symbolbild: Sommer

Über Jahre haben zwei Beamte der Landesoberkasse Gelder im großen Stil veruntreut. Seit Dienstag müssen sie sich vor der 1. Großen Strafkammer des Tübinger Landgerichts wegen gemeinschaftlicher Untreue und Urkundenfälschung in 22 Fällen verantworten.

Seit 1979 arbeitete die heute 61-jährige Angeklagte im gehobenen Dienst bei der Landesoberkasse. Sie hatte in der Metzinger Außenstelle, Abteilung Vollstreckung, Zugang zum Tresor der Oberkasse. Gemeinsam mit einem heute 45-jährigen Kollegen entnahm sie 47 Male Bargeld aus dem Tresor, um es für sich selbst zu verwenden. Der Kollege stellte gefälschte Bar-Einzahlbelege aus, die er am heimischen Computer erstellte.

Damit täuschten sie auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart, von deren Bußgeld-Einnahmen ein Teil des Geldes stammte. Zwischen Mai 2012 und September 2016 erbeuteten sie mehr als 382.000 Euro.

Sie hatten laut Anklage vereinbart, das Geld hälftig zu teilen. Der heute 45-Jährige konnte die Beute aber nicht auf sein Konto einzahlen. Denn das wird wegen einer Privatinsolvenz gepfändet. Er gab das Geld seiner zweiten Ehefrau, die es für ihn auf ihre eigenen Konten einzahlte – insgesamt 106.000 Euro. Die 38-Jährige ist nun wegen Geldwäsche in 23 Fällen mitangeklagt.

Frühere Fälle sind verjährt

Die Angeklagten räumten die Vorwürfe ein. Die Ehefrau beteuerte allerdings, sie habe nichts von der illegalen Herkunft des Geldes gewusst – was ihr das Gericht nicht so recht abnahm.

Die beiden Beamten sind seit vielen Jahren miteinander befreundet. Der heute 45-Jährige hatte Anfang der 2000er-Jahre finanzielle Probleme. Er hatte nach seinen Angaben gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau ein Haus gebaut. Sie verließ ihn und ging ins Ausland. Er blieb auf den Schulden sitzen und musste Privatinsolvenz anmelden.

Er habe die Kollegin gefragt, ob sie eine Möglichkeit sehe, bei der Landesoberkasse „irgendwie Gelder abzuzweigen“. Nach ein paar Tagen sei sie dann auf die Idee gekommen, was ihn selbst überrascht habe. Weil seine Bank Druck machte, habe er schließlich in den Plan eingewilligt.

Zunächst sei geplant gewesen, nur zwei- bis dreimal Gelder zu veruntreuen, dann sei es „zum Selbstläufer geworden“. Die Angeklagten deuteten an, dass sie schon länger Gelder veruntreut hatten, als es ihnen jetzt vorgeworfen wird. Frühere Fälle vor dem Jahr 2012 sind inzwischen aber verjährt.

„Für uns war es unvorstellbar, dass man dieses System so leicht austricksen kann“, sagte der 45-Jährige. Und: „Der Aufwand war so gering, dass wir es einfach weiterlaufen lassen haben.“ Die 61-Jährige erklärte, sie verstehe sich heute selbst nicht mehr: „Wenn ich es irgendwie ungeschehen machen könnte, würde ich das tun.“ Am Anfang habe sie die Straftaten begangen, um dem Kollegen zu helfen. Dann habe sie „es einfach laufen lassen, obwohl mir es nicht wohl dabei war“.

Ehefrau bekam Zweifel

Sie selbst sei, anders als der Mitangeklagte, nicht in Not gewesen. Außer ihren Einkünften habe sie noch Gelder von ihren verstorbenen Eltern geerbt. Sie habe von der Beute ihren Lebensunterhalt bestritten. Große Anschaffungen, ein Luxusleben oder Urlaube habe sie damit nicht finanziert.

Aufgeflogen sind die Fälle durch Rechnungsprüfer. Zugleich, so die 61-Jährige, habe ihr neuer Mann sie gedrängt, mit den Straftaten aufzuhören – was sie dann auch tat. Die Frau des Mittäters erklärte, dieser habe ihr gesagt, er sei mit der Kollegin gut befreundet und sie unterstütze ihn. Die Angeklagte ist die Patentante eines Sohnes des Paares. Natürlich seien ihr Zweifel gekommen: „Aber mein Mann hat gesagt, ich soll mir keine Gedanken machen – das habe ich akzeptiert.“ Dass das Geld von der Landesoberkasse stamme, habe sie sich nicht vorstellen können. Der Prozess wird am 10. November fortgesetzt.

Prozessauftakt gegen zwei Metzinger Beamte der Landesoberkasse

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Erstellt:
24.10.2017, 22:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 50sec
zuletzt aktualisiert: 24.10.2017, 22:00 Uhr

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