Selbstbestimmung bleibt das Thema

Pro Familia eröffnete vor 40 Jahren das erste Büro in Tübingen

Aufklärung, Verhütung, Sexualität: Das waren die Themen, um die es bei der Gründung von Pro Familia 1952 in Kassel ging – und um die es bis heute geht.

14.11.2017

Von Renate Angstmann-Koch

Anfang 1986 bezog das Team von Pro Familia neue, weitläufige Räume in der Hechinger Straße 21. Hier lehnt der langjährige Leiter der Beratungsstelle Eberhard Wolz an der Heizung. Zuvor war die Einrichtung ziemlich beengt in der Waldhäuser Straße untergebracht. Ihr erstes Tübinger Büro hatte sie in der Rümelinstraße 8. Die heutige Adresse von Pro Familia ist in der Hechinger Straße 8.Archivbild: Nill

Anfang 1986 bezog das Team von Pro Familia neue, weitläufige Räume in der Hechinger Straße 21. Hier lehnt der langjährige Leiter der Beratungsstelle Eberhard Wolz an der Heizung. Zuvor war die Einrichtung ziemlich beengt in der Waldhäuser Straße untergebracht. Ihr erstes Tübinger Büro hatte sie in der Rümelinstraße 8. Die heutige Adresse von Pro Familia ist in der Hechinger Straße 8.Archivbild: Nill

Seit 1977 hat die „Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung“ eine Beratungsstelle in Tübingen. In der Rümelinstraße 8 gab es schon im Jahr zuvor eine von Ehrenamtlichen, etwa Studierenden der Sozialpädagogik, betriebene Vorläuferin. „Es war ein sehr gutes Angebot in einer immer noch sehr verklemmten Gesellschaft“, erinnert sich Rita Haller Haid, Vorsitzende von Pro Familia Tübingen/Reutlingen.

Der Kreisverband unterhält in beiden Städten Beratungsstellen – und seit Juli auch eine kleine Dependance in Mössingen. Außerdem gibt es seit Ende der neunziger Jahre eine Online-Beratung. „Tübingen war immer innovativ“, sagt Haller-Haid. Heute kämen Ratsuchende aller Altersstufen.

„Jedes Kind hat das Recht, erwünscht zu sein“, beschreibt sie den Impetus der Gründer. In der Phase nach 1968, den Anfangsjahren der neuen Frauenbewegung und der Entstehung von Jugendhäusern, ging es um Aufbruch und selbstbestimmte Sexualität. Eine große Rolle spielte zunächst auch noch der Kampf gegen den Paragraphen 175, der Homosexualität kriminalisierte, und gegen den Paragraphen 218, der Abtreibung generell unter Strafe stellte.

Als freier, nicht konfessionsgebundenen Träger übernahm Pro Familia im Lauf der Geschichte auch gesetzliche Aufgaben wie die Schwangerschaftskonfliktberatung. „Wir waren auch schon immer mit emanzipatorischer Sexualberatung an den Schulen und haben aufgeklärt“, sagt Haller-Haid. Keine der ursprünglichen Aufgaben habe sich erledigt – im Gegenteil: Es kämen immer neue dazu. So gehe es seit der Jahrtausendwende zunehmend um Themen wie Kinderwunsch oder Reproduktionsmedizin.

Als Fachverband habe Pro Familia auch immer wieder die Aufgabe, politisch Stellung zu beziehen, sagt Haller-Haid. So etwa bei der Pränataldiagnostik: Weil es die technischen Möglichkeiten dafür gibt, erfolgten die Tests immer früher. Doch sie müssten gut begleitet werden, damit nicht wegen eines theoretischen Risikos Schwangerschaften abgebrochen werden.

„Der Drang zu später Elternschaft führt zu immer mehr ungewollter Kinderlosigkeit“, berichtet Heideker. Dabei sei im Ausland medizinisch viel mehr zulässig als hierzulande – auch das ein Thema für Pro Familia: „Es gibt Kinder, die bis zu fünf Eltern haben – auch sie dürfen kein Stigma tragen.“

Manches, was als längst gesicherte Errungenschaft galt wie die Akzeptanz sexueller Vielfalt, wird heute wieder angegriffen – so etwa bei den von der AfD unterstützten Demonstrationen gegen den baden-württembergischen Bildungsplan vor der Landtagswahl 2016. „Es ist sehr schwierig, da gegenzuhalten“, sagt Heideker. Der Verein bleibe aber bei seinem emanzipatorischen Ansatz.

Rita Haller-Haid (links) ist Vorsitzende des Pro-Familia-Kreisverbands Tübingen/Reutlingen, Grit Heideker seit 2011 Geschäftsführerin Bild: Metz

Rita Haller-Haid (links) ist Vorsitzende des Pro-Familia-Kreisverbands Tübingen/Reutlingen, Grit Heideker seit 2011 Geschäftsführerin Bild: Metz

Die Tübinger Beratungsstelle von Pro Familia

Neun Fachkräfte – Psychologen, Pädagogen, Sozialpädagogen und eine Ärztin – gehören zum Tübinger Team von Pro Familia.

Finanziert wird die Beratungsstelle überwiegend vom Land. Es gibt aber auch einen Kooperationsvertrag mit dem Kreis Tübingen. Hinzu kommen Spenden und Entgelte für Leistungen.

Das Angebot erstreckt sich auf Beratung bei Schwangerschaft und Elternschaft, Schwangerschaftskonfliktberatung, Sexualberatung, Ehe- und Partnerschaftsberatung,

Trennungs- und Scheidungsberatung, medizinische Fragen, Familienplanung, Erziehungsberatung, Beratung für Eltern mit Schreibabys und schlaflosen Kleinkindern, Beratung bei sexueller Gewalt, Beratung zum Kinderschutz,

Jugendberatung und Sexualpädagogik.

Die Adresse der Beratungsstelle: Hechinger Straße 8 in Tübingen, Telefon 0 70 71 / 3 41 51, E-Mail info@profamilia-tuebingen.de

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Erstellt:
14.11.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 30sec
zuletzt aktualisiert: 14.11.2017, 01:00 Uhr

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