Tübinger Kinobilanz 2015

Nur ganz oben rollt der Rubel

Hollywood auf dem absteigenden Ast. Mit dieser Schlagzeile wurde vor einem Jahr an dieser Stelle auf das ziemlich desaströse Kinojahr 2014 zurückgeblickt. Zwölf Monate später hat sich der Wind um 180 Grad gedreht.

10.01.2016

Von KLAUS-PETER EICHELE

Nur ganz oben rollt der Rubel

Der kommerzielle Triumph einer Handvoll amerikanischer Blockbuster mit „Star Wars“ und James Bond an der Spitze hat der deutschen Kinobranche einen grandiosen Zuschauerzuwachs beschert. Manche sprechen schon von einem historischen Jahr, von einer großen Wende, nachdem es ein Jahrzehnt lang in der Tendenz abwärts gegangen war.

So sehr man den Kinobetreibern die Euphorie auch gönnt, es ist doch Vorsicht angebracht. Schaut man sich die Daten des abgelaufenen Jahres genauer an, wird deutlich, dass das Plus aufs Konto einiger weniger Filme geht. Jenseits der Top Ten haben sich die Zuschauerzahlen kaum verändert. Dass in Deutschland auf breiter Front das Kinofieber ausgebrochen sei, lässt sich nicht behaupten. Sollte 2016 kein Film – neben einer neuen Folge „Star Wars“, die man als gesetzt betrachten kann – richtig durchstarten, ist man schnell wieder im Tal des Jammers.

Nicht wenige deutsche Kinos sind dort schon jetzt angelangt – jene nämlich, die vorwiegend künstlerisch ambitionierte Filme zeigen (in Tübingen Arsenal und Atelier) oder ein aus Mainstream und Arthaus gemischtes Programm anbieten wie das Kino Museum. Alle drei Spielstätten mussten 2015 erhebliche Besucherrückgänge hinnehmen. Gute Filme gab es zwar genug – „Birdman“, „Victoria“, „Taxi Teheran“, um nur ein paar zu nennen; aber weit und breit keinen, der das verbreitete Zuschauer-Bedürfnis nach einem in Wohlfühl-Watte verpackten sozialen Anspruch so perfekt bedient hätte wie zuvor die französische Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“.

In Tübingen wird die Teil-Krise noch dadurch verschärft, dass mit dem im September 2015 eröffneten Reutlinger Kamino-Kino ein neuer regionaler Spieler im Sektor des anspruchsvollen Films aufgetaucht ist. Arsenal-Chef Stefan Paul schätzt, dass seinen beiden Häusern dadurch ein paar Hundert Zuschauer im Monat verlorengehen. Für die stets an der Kippe zur Unwirtschaftlichkeit operierenden Kleinkinos stellt sich daher wieder einmal die Existenzfrage. Andernorts hat der Mangel an kommerziell attraktivem Arthaus-Stoff manchem Programmkino-Macher so zugesetzt, dass er kurzerhand „Star Wars“ auf den Spielplan gesetzt hat.

Vielleicht sieht aber in zwölf Monaten wieder alles ganz anders aus. Oder schon in zweieinhalb Wochen, wenn „The Hateful 8“, der neue Film des Filmkunst-Berserkers Quentin Tarantino, die deutschen Kinos erreicht. Dessen Vorgänger „Django Unchained“ war 2013 der kassenstärkste Film des Jahres in Tübingen.

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Erstellt:
10.01.2016, 22:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 09sec
zuletzt aktualisiert: 10.01.2016, 22:00 Uhr

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