Nichts passiert

Nichts passiert

Devid Striesow spielt in dem Drama einen Ehemann, für den im Skiurlaub die Welt zusammenbricht.

05.01.2016

Von Verleih

Nichts passiert

Nichts passiert? Der Titel bezieht sich nicht auf die Handlung; er meint jenen Stoßseufzer, wenn man aus einer Katastrophe gerade noch mit heiler Haut herausgekommen ist. Körperliche Unversehrtheit ist aber auch das einzige, was die von Devid Striesow gespielte Hauptfigur am Ende an Positivem vorweisen kann.

90 Filmminuten früher fährt dieser Thomas mit Frau und Teenie-Tochter in den Skiurlaub, um dort sein zerschossenes Eheleben zu kitten. Um sich bei seinem frisch geschiedenen Chef einzuschmeicheln, nimmt er auch dessen 15-jährige Tochter Sarah mit auf die Hütte. Doch statt eitel Harmonie regiert schon in der ersten Nacht das blanke Chaos. Auf einer Party im Dorf wird Sarah vergewaltigt. Statt mit dem verstörten Mädchen zur Polizei zu fahren, versucht Thomas (Motto: „Das wird schon wieder“), der als einziger Außenstehender Bescheid weiß, das Problem auf seine ureigene Art zu lösen: indem er sich wegduckt, den schönen Schein wahrt, zuwartet, bis das Problem von allein verschwindet. Schließlich soll sein Boss von dem peinlichen Vorfall nichts erfahren, und weil der Vergewaltiger der Sohn des Hüttenbesitzers ist, will er auch in diese Richtung keinen Ärger. Dass Thomas das Mädchen mit dem rückgratlosen Lavieren fortgesetzt demütigt, nimmt er in Kauf. Zudem verrennt er sich immer tiefer in ein Lügendickicht, aus dem es bald keinen Ausweg mehr gibt.

Der Schweizer Regisseur Micha Lewinsky schildert den Weg seines Protagonisten in den moralischen Bankrott mit kühler Präzision und viel schwarzem Humor, ohne aber die Figur über Gebühr bloßzustellen. Schließlich repräsentiert sie in Extremform, was in den meisten Männern und Menschen steckt: das konfliktscheue Wesen, das es allen recht machen will und dadurch alles noch viel schlimmer macht.

Zum Ende hin türmt der Regisseur zu Lasten der Glaubwürdigkeit ein bisschen zu viele tragigroteske Situationen auf. Das macht aber Denis Striesow wett, der nach starker Unterforderung als „Tatort“-Kommissar und Jakobspilger mal wieder beweisen darf, was für ein starker Schauspieler er ist. Wie er mit feinsten Abstufungen diesen zwischen Harmoniesucht und latenter Gewaltbereitschaft schwankenden Charakter auslotet, ist der reinste Augenschmaus.

Von einem, der um des lieben Friedens Willen zum rückgratlosen Würstchen wird.

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Erstellt:
05.01.2016, 09:11 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 06sec
zuletzt aktualisiert: 05.01.2016, 09:11 Uhr

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