Wird die Platanenallee zur Partymeile?

„Nervenzehrend“: Anwohner der Neckarinsel beklagen wachsende Lärmbelästigung

Ob Sommertheater oder feiernde Jugendliche: Die Neckarinsel werde immer mehr zur Partymeile, kritisieren Anwohnern. Wir fragten beim Ordnungsamt nach, was die Beamten bei Ruhestörung überhaupt tun können.

24.07.2016

Von Philipp Koebnik

„Nervenzehrend“: Anwohner der Neckarinsel beklagen wachsende Lärmbelästigung

Tübingen. „Auf der Platanenallee war immer was los, aber seit einiger Zeit nimmt es deutlich zu“, sagt ein Bewohner eines der Häuser der Neckarfront, der sich über zunehmenden Lärm ärgert. Vor etwa 15 Jahren ist er in seine jetzige Wohnung eingezogen. „Auch wenn es immer wieder Feste gab, ist es für Altstadt-Verhältnisse erfreulich ruhig gewesen.“ Doch vor zwei, drei Jahren habe die Platanenallee angefangen, zur „Partymeile“ zu werden.

Mehrmals sei er selbst aktiv geworden, wenn es nachts wieder einmal zu laut wurde. „Ich habe versucht, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.“ Das sei auch der Grund, weshalb er seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Bei solchen Gesprächen hätten die Jugendlichen ihm freimütig gesagt: Wenn die Polizei kommt, packen wir den Wodka weg und machen die Musik leise, danach geht es weiter wie zuvor. Dennoch: Ein- bis zweimal pro Woche sehe er sich gezwungen, bei der Polizei anzurufen.

Das laute Treiben geht

das ganze Jahr über

Mittlerweile sei der Lärmpegel weitgehend unabhängig vom Datum. „Ob Sommer oder Winter, ob am Wochenende oder werktags – da gibt es kaum Unterschiede“, so der Anwohner. „Auch unter der Woche ist hier oft Halligalli.“ Viele seien betrunken und grölten herum. Aber nicht nur das. „Sie hören laut Musik oder zünden Silvesterkracher.“ So etwas habe es früher nicht gegeben.

„Ich habe das Gefühl, dass Polizei und Ordnungsamt sich gegenseitig die Schuld zuschieben.“ Beide hätten offensichtlich eine bedauernswert dünne Personaldecke. So hätten ihm Polizeibeamte erst vor kurzem offen gesagt, dass sie gegen eine Überzahl an feiernden Jugendlichen nichts ausrichten könnten. „Das kam mir vor wie eine Kapitulationserklärung.“ Die Stadt müsse ein Konzept entwickeln, um das Problem grundlegend anzugehen.

Mehr Rücksichtnahme wünscht sich der Anwohner auch vom LTT, das derzeit zum Sommertheater auf der Platanenallee einlädt. Auch er gehe gerne ins Theater. „Aber gutes Theater muss nicht laut sein.“ Was dort gespielt werde, erinnere jedoch eher an ein Musical.

Andere Anwohner fühlen sich ebenfalls durch Feiernde gestört. „Für viele heißt Party heutzutage, dass es laut sein muss und reichlich Alkohol fließt“, sagt Christina Broadfoot. „Das ist ein gesellschaftliches Problem, das wir hier besonders zu spüren bekommen.“ Oft blieben zerschlagene Flaschen und anderer Müll liegen, sagt Broadfoot, die ebenfalls findet, dass die Probleme in den vergangenen Jahren zugenommen haben. „Es kommt vor, dass man um 2 Uhr nachts Leute schreien hört und nicht weiß: Ist das Spaß oder wird jemandem Gewalt angetan?“ Sie wünscht sich deshalb mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt.

Vom LTT wünscht Broadfoot sich mehr Entgegenkommen. Regelmäßig werde bei den Proben die Mittagsruhe nicht beachtet. Früher seien die Anwohner im Vorfeld besser informiert und stärker eingebunden worden. Festivals und ähnliche Veranstaltungen habe es immer gegeben, „das ist nicht das Problem“, so Broadfoot, die seit über 25 Jahren in der Neckarhalde wohnt. „Zwei Tage Ract stören uns nicht, aber die tägliche Beschallung zehrt sehr an den Nerven.“

„Muss jede Grünfläche zur Partymeile werden?“, fragt die 57-Jährige. Auch in der Stadt gebe es immer mehr Plätze, wo man sich abends kaum noch hin traue. „Ich wünsche mir eine grundsätzliche Diskussion darüber.“

Ordnungsamt wünscht sich mehr Personal

In letzter Zeit habe sich die Situation „zugespitzt“, sagt Rainer Kaltenmark, Leiter des Ordnungsamts. Immer mehr Jugendliche feierten immer länger und immer lauter – auch auf der Platanenallee. Es sei „ein Phänomen unserer Zeit, die Interessen anderer nicht zu achten.“

Grundsätzlich sei die Handhabe groß: So könne man Platzverweise aussprechen oder eine Musikanlage beschlagnahmen. „Wir wollen aber aus einer Ordnungswidrigkeit keinen Widerstand machen.“ Es gelte, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Jeden Monat spreche man mit der Polizei über das Thema. „Wir haben uns vorgenommen, mehr Präsenz zu zeigen.“ Allerdings: Eine dauerhafte Lösung zu finden sei „mit der jetzigen Personalstärke sehr schwierig“.

Auch des Sommertheaters wegen habe es einige Beschwerden gegeben, so Kaltenmark. „Elektrisch verstärkte Musik ist problematisch.“ Man führe „intensive Gespräche“ mit der Leitung des LTT. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine Lösung finden.“

Info Die von Anwohnern beklagte Ruhestörung durch Veranstaltungen aller Art auf der Platanenallee wird heute ab etwa 17 Uhr Thema in der Fragestunde im Gemeinderat sein.

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Erstellt:
24.07.2016, 18:01 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 11sec
zuletzt aktualisiert: 24.07.2016, 18:01 Uhr

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