Hier ist alles offen

Nach zweijähriger Pause ist am Samstag wieder Southside Battle in der Panzerhalle

Beim Southside Battle messen sich Künstler aus ganz Deutschland im Breakdance, Rap und Graffiti-Malen. Das will organisiert sein. Eine Projektgruppe mit jungen Leuten aus der Tübinger HipHop-Szene steckt mitten im Vorbereitungsendspurt.

20.07.2016

Von kathrin löffler

Die wollen nur tanzen. Und sprayen. Und rappen. Die Southside-Battle-Projektgruppe mit Thomas Reichle vom Jugendkulturbüro (hinten links). Bild: Faden

Die wollen nur tanzen. Und sprayen. Und rappen. Die Southside-Battle-Projektgruppe mit Thomas Reichle vom Jugendkulturbüro (hinten links). Bild: Faden

Tübingen. Donnerstagabend, Epplehaus, das Organisationsteam tagt. Sobald die Journalistin endlich genug gehört hat, muss der Ablaufplan für den kommenden Samstag ausdiskutiert werden. Das dauert. Und kostet Freizeit. Egal. „Uns motiviert die Liebe zum Projekt und zum HipHop“, sagt Kaspar Ruegenberg. Und HipHop ist eben: mehr als ein Hobby. Für viele sei HipHop „ein Lebenselixier“.

Ruegenberg ist lokale Rap-Größe und sitzt in einer Runde aus jungen Leuten. Alle zwischen 14 und Mitte dreißig, alle selber infiziert: vom Breakdancen, vom Sprechgesang, von der Wandmalerei im öffentlichen Raum. Gemeinsam planen sie das diesjährige Southside Battle. Jugendkulturbüroleiter Thomas Reichle hilft. Als Veranstalter firmiert der Jugendgemeinderat. Die Stadt finanziert (fast) das Ganze.

Das erste Southside Battle war 2009. Weitere Ausgaben folgten im jährlichen Turnus. Die 2014er-Version hieß Tribute Battle, damals wurden die tänzerischen Stilvorgaben ein wenig aufgeweicht. Kam nicht so gut an. 2015 fand gar kein Battle mehr statt. Es gab Entzugserscheinungen.

Bloß keine

abgetrennte Bühne

Im vergangenen Oktober taten sich einige Leidende zusammen und marschierten zum Tübinger Jugendgipfel ins Landratsamt. Dort stellten sie den Stadtoberen ihr Projekt vom Southside Battle 2016 vor. Seit November basteln sie an der Neuauflage. Warum die Mühen? „Es gibt in Tübingen sonst nicht viele HipHop-Veranstaltungen“, sagt Sportstudent und Breakdancer Manuel Koschtjan. An Konzerten zur Zeit: wenig bis nichts. Und etwas mit dem Southside Battle Vergleichbares: schon gar nicht. Denn dabei geht es nicht nur um Musik.

Ein kurzer HipHop-Grundkurs für Genre-Unkundige. Anhänger definieren die HipHop-Kultur über vier verschiedene künstlerische Ausdrucksformen: DJing (vereinfacht: Platten auflegen), B-Boying (auch sehr vereinfacht: Tanzen mit Drehungen auf dem Kopf oder Einfrier-Posen auf den Händen), Graffiti und Rap. Beim Southside Battle treten Könner in den letzten drei dieser vier Bereiche an. Jeden Bereich betreuen sogenannte Hosts aus dem Orga-Team. Felix Schwarz kümmert sich etwa um die Graffiti-Maler. Da kennt er sich aus: In Tübingen hat er selber schon Spuren hinterlassen. Das Gezeigte bewerten dann die Judges, also das Preisgericht. Dieses ist teils ziemlich international besetzt: im Breakdance etwa mit Kennern aus Polen, der Ukraine – oder halt Biberach.

In allen Disziplinen gibt es Vorauswahlen. Die besten Sprüher dürfen sich am Battle-Tag auf der Ballsporthalle neben der Panzerhalle verewigen. Heikle Angelegenheit, die Sache mit dem Graffiti-Sprühen, das wissen die Hosts. Wände ordentlich bunt machen, die dafür tabu sind, oder legale Flächen: die alte Künstlerfrage. Auf der Ballsporthalle ist das Sprühen freilich erlaubt. Marco Neumann alias Judge Mako erklärt den Mehrwert der öffentlich ausgetragenen Sprayer-Konkurrenz: „Jedem legalen Maler geht‘s darum, mit der Gesellschaft in Kontakt zu treten und zu sensibilisieren.“

Überhaupt: miteinander in Kontakt treten. Nach diesem Prinzip arbeiten die Macher. Beim Southside Battle soll es kein abgehobenes Vor-Sich-Hin-Performen geben. Keine überhöhte Bühne, keinen exklusiven Backstagebereich. Stattdessen einen Tanzboden mitten drin im Zuschauerpulk. Alles schön schrankenlos. Wie HipHop an sich. Mako sagt, HipHop sei „die weltoffenste Kultur, die es gibt“. Es gehe darum, Leute zu vereinen. Die Organisatoren erwarten deshalb nicht nur Szene-Affine. Dafür viele Menschen aus dem Französischen Viertel. Und drüber raus. Laut Reichle „Fünfjährige wie alte Omas“. Familien, die bis ganz zum Schluss da bleiben und zuschauen, also bis irgendwann um Mitternacht rum.

Die Projektgruppe hat in den letzten Monaten wöchentlich zusammengesessen, erfolgreich Tingeltouren durch die hiesige Firmenwelt unternommen und um Finanzspritzen gebuhlt, zahlreiche Whatsapp-Nachrichten hin- und hergefeuert, viele Ideen gehabt, manche wieder verworfen. Thomas Reichle findet, ein Großsponsor und Namedropping seien nichts fürs Southside Battle. Michele Grasta, 36, „tief verwurzelt“ im lokalen Breakdance-Geschehen und zuständig für die teilnehmenden Tanz-Crews, hätte auch nichts dagegen gehabt, das ganze Ding ein bisschen größer aufzuziehen. Ansonsten war man sich einig.

Mit ihrem Battle-Charakter ist die Tübinger HipHop-Zusammenkunft ziemlich einzigartig in Deutschland. Sagt Kaspar. Es geht um was. Genauer: um Kreativität. Graffiti-Maler wollen ihre, nun ja, eigene Handschrift präsentieren, Breakdance-Crews (Achtung, Fachjargon) Flow, Musicality, Attitude, Acrobatics, und letztlich, so Michele, zeichnen auch die Rapper ein Bild mit ihrer Stimme.

Bei Organisatoren und Helfern aus dem Jugendgemeinderat geht es vor allem: ums Anpacken. Vor dem Battle müssen Bauzäune, Tanzboden und Technik hergerichtet und Wände für die Sprayer grundiert werden. Nachts gilt es den ganzen Kladderadatsch wieder aufzuräumen. Wird spät. Kaspar Ruegenberg sagt: „Es ist wichtig, was für seine Stadt zu tun.“ Auch noch so ein Grund.

Bitte nicht nur Szene-Leute!

Das Southside Battle 2016 beginnt am Samstag, 23. Juli, um 15 Uhr in der Tübinger Panzerhalle (Aixer Straße 68). Dem Orga-Team sind Besucher jeglichen Alters und kulturellen Hintergrunds ausdrücklich willkommen – sogar Sandalenträger, heißt es. Für den Rap-Battle können sich MCs noch bis Donnerstag, 21. Juli bewerben: per Mail über info@southside-battlde.de oder über facebook.com/SouthsideBattle

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Erstellt:
20.07.2016, 01:30 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 25sec
zuletzt aktualisiert: 20.07.2016, 01:30 Uhr

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