Weiber-Wirtschaft

Mit der Familie im Rücken

Juliane Vees aus Weitingen ist Energiewirtin, Kreisrätin, Landfrauen- Präsidentin und als erste Frau Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des Landesbauernverbands. „Ich fühlte mich nie als Quotenfrau“, sagt sie.

17.02.2017

Von TEXT: Dunja Bernhard|FOTOS: Karl-Heinz Kuball

Juliane Vees aus Eutingen-Weitingen versteht es, Familie und Beruf sowie die zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu vereinbaren.

Juliane Vees aus Eutingen-Weitingen versteht es, Familie und Beruf sowie die zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten zu vereinbaren.

Juliane Vees‘ Lebensweg war rückblickend durch ihre Herkunftsfamilie vorgezeichnet. Heute ist die 50-Jährige Energiewirtin auf dem Hof Weitenau. Sie ist für die Buchführung, das „Tagesgeschäft“ und Bankangelegenheiten zuständig. In der Erntezeit fährt sie immer noch mit raus. „Was wir miteinander erreicht haben, das ist richtig toll“, sagt sie. Zu dem „Wir“ gehören neben ihrem Mann auch die Schwiegereltern dazu, die den Hof 1966 gründeten.

Vees wuchs auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Westfälischen auf. Ihre Mutter war Kreisvorsitzende bei den Landfrauen. Sie selbst engagierte sich in der Landjugend und war Schulsprecherin. Ihr Vater sei auch so aktiv gewesen, sagt sie. „Das liegt in der Familie.“ Die Eltern hätten es gern gesehen, wenn sie den westfälischen Betrieb übernommen hätte, erzählt die Ökotrophologin. „Wenn ich einen Landwirt finde, mache ich das“, habe sie damals gesagt. Allein wäre ihr die Herausforderung zu groß gewesen. In Winfried Vees fand sie einen Landwirt – allerdings einen mit eigenem elterlichen Hof. Kennengelernt hat sich das Ehepaar auf einem mehrwöchigen Kurs für Landwirtssöhne und -töchter. Nach unzähligen Telefonaten und einigen Besuchen zog Vees zwei Jahre später nach Baden-Württemberg. Zunächst in eine eigene Wohnung nach Ergenzingen. Sie arbeitete landesweit als Betriebshelferin auf Bauernhöfen. „Das war meine Feuertaufe.“ Vom Melken übers Krautschlagen bis zum Haushalt habe sie alles gemacht.

Anschließend war sie einige Jahre in der Tübinger Zahnklinik als Hauswirtschaftsleiterin angestellt, bis 1990 das erste von drei Kindern auf die Welt kam. Fortan half sie auf dem Hof. Familie, Beruf und die bald zahlreichen ehrenamtlichen Aufgaben unter einen Hut zu bekommen, sei kein Problem gewesen, sagt sie. Wenn sie mal weg musste, seien Oma und Opa da gewesen. „Alles wurde abgesprochen.“ Bei größeren Entscheidungen tagte der Familienrat. Das ist noch heute so. Als Einschränkung empfindet Vees dieses enge Miteinander nicht. „Man trägt für den anderen Verantwortung und ist gleichzeitig mit aufgefangen.“

Bis 2006 hatte der Hof Weitenau Viehwirtschaft. Die Zukunft sah die Familie jedoch eher in der Energiewirtschaft. 2004 ging die Biogasanlage, die bis heute ständig weiter entwickelt wurde, in Betrieb. 2007 kam Photovoltaik hinzu. 2009 wurde der Hof durch einen Seminarraum zu einem Veranstaltungsort. Mit Tankstellen für Biogas- und Elektroautos investierte Familie Vees im vergangenen Jahr in Zukunftstechnologie. Winfried Vees wurde im Oktober 2016 mit dem Ceres-Award in der Kategorie Energielandwirt ausgezeichnet. Die Bewerbung hat Juliane Vees vorbereitet. „Mein Mann bringt Themen voran, aber er steht nicht so gern in der Öffentlichkeit“, sagt sie. Über die Auszeichnung habe sie sich wahnsinnig gefreut. Sie sieht diese als eine offizielle Bestätigung für sein innovatives Tun.

Juliane Vees scheut die Öffentlichkeit nicht. Im Januar war sie vier Tage auf der „Grünen Woche“ in Berlin. Für sie ist die weltgrößte Verbraucherschau für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau vor allem ein Ort zum Netzwerken. Dort trifft sie auf Spitzenvertreter aus Politik und Verbänden. Für Vees eine willkommene Möglichkeit, mit ihnen über erneuerbare Energien ins Gespräch zu kommen, Visitenkarten auszutauschen und eine Einladung auf den Energiehof Weitenau auszusprechen.

Doch nicht nur Erneuerbare Energien treiben die 50-Jährige um. „Ich möchte Themen voranbringen, die Frauen im ländlichen Raum beschäftigen“, sagt sie. Ihre Ämter geben ihr die beste Chance, das zu tun. „Frauen sollten, auch wenn sie nicht Teilhaberinnen sind, als Mitunternehmerinnen landwirtschaftlicher Betriebe gesehen werden.“ Der Landfrauenverband Württemberg-Hohenzollern, deren Präsidentin Vees ist, hat ein eigenes Bildungs- und Sozialwerk. Im April gibt es zum zweiten Mal einen von ihr initiierten „Unternehmerinnen-Tag“.

Vees ist die erste und bisher einzige Frau im geschäftsführenden Vorstand des Landesbauernverbands Baden-Württemberg. „Dass ich reingewählt wurde, zeugt von Wertschätzung“, sagt sie. Männer tickten anders. Deshalb sei es wichtig, dass Frauen sachlich blieben, wenn sie sich einbringen. Entscheidend sei eine gute Vorbereitung. „Dann ist es egal, ob es ein Mann oder eine Frau ist.“

Außerdem sitzt Vees seit 18 Jahren im Kreistag und ist dort in den Sitzungen sehr aktiv. „Wenn mich etwas stört, muss ich etwas sagen.“ Damit ecke sie auch mal an. „Das muss man wegstecken.“ Wenn jemand eine andere Meinung habe, „hat das nichts mit fehlender persönlicher Wertschätzung zu tun“.

Zum Vernetzen gehört für Vees auch, sich über Soziale Medien wie Facebook oder Whats
App zu präsentieren. Dort berichtet sie „aus dem vollen Leben“ eines Hofes. So erreiche sie Menschen, zu denen sie sonst nie Kontakt hätte. Die Energiehof-Seite bei Facebook habe sogar einige Follower aus Ägypten, berichtet sie.

Mit Tankstellen für Biogas- und Elektroautos investierte Familie Vees in Zukunftstechnologie.

Mit Tankstellen für Biogas- und Elektroautos investierte Familie Vees in Zukunftstechnologie.

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Erstellt:
17.02.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 19sec
zuletzt aktualisiert: 17.02.2017, 01:00 Uhr

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