Eine bunte und lautstarke Demonstration „gegen rechts“

Mit Sonnenbrillen und Seifenblasen zogen 250 am Samstag durch Rottenburg

Rund 250 Menschen demonstrierten am Samstag „gegen rechts“ – überwiegend junge Leute, aber auch etliche ältere Erwachsene. Ein neu gegründetes Bündnis von „jungen engagierten Leuten aus dem Rottenburger Raum“ hatte dazu aufgerufen.

24.07.2016

Von Dunja Bernhard

Rottenburg. Der Großteil der Demonstrierenden, die sich am Samstag um 14 Uhr am Bahnhof versammelten, war unter 30 Jahre alt. Es waren aber auch Familien mit Kindern gekommen, sowie Stadträte der Grünen und der Linken. Oberbürgermeister Stephan Neher kam auch zur Auftaktkundgebung. Er finde es gut, wenn sich junge Leute gegen Rechtsextremismus engagieren, sagte er in einem Fernseh-Interview. Vor einer Woche hatte der OB spontan zwei große Banner am Rathaus aufgehängt, als unten auf dem Marktplatz die Neonazi-Kleinpartei „III. Weg“ einen Infostand aufgebaut hatte (wir berichteten).

„Es ist wichtig, dass auch etablierte Parteien dabei sind“, sagte Vivian Weschenmoser, SPD-Stadträtin aus Horb. „Vielfalt ist doch viel schöner als Einfalt.“ Gegen Hass, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit müsse man sich zeigen, fand eine Rottenburger Naturschützerin. Die vielen rechten Schmierereien in Rottenburg „gingen gar nicht“.

Der zehnjährige Peter war mit seiner sechsköpfigen Familie gekommen. „Wenn die die Demo nach Rottenburg bringen, muss man schon hingehen“, sagte Mutter Kathrin. Vater Tim ergänzte: „Es ist Staatsbürgerpflicht gegen Extremismus zu sein.“ Er würde auch gegen Linksextremismus auf die Straße gehen.

Während fast alle Demonstranten offen ihr Gesicht zeigten, verbargen sich die Organisatoren unter Mützen und hinter Sonnenbrillen – auch weil sie Racheaktionen der Rechtsradikalen befürchten. („Anti-Antifa“). Knapp 20 junge Leute aus Rottenburg und Umgebung hätten sich vor einigen Monaten als „Bündnis gegen Rechts“ zusammengeschlossen, sagte eine Sprecherin, die sich als Theresa Roth vorstellte, jedoch ganz anders heißt.

Über Facebook und Mundpropaganda hatten sie zu der Demonstration aufgerufen. Bis aus Reutlingen, Hechingen und Horb waren Teilnehmer angereist. Viele, auch viele Ältere, kamen aber auch aus Rottenburg selbst.

Gegen „III. Weg“

und Kopp-Verlag

Es sei besorgniserregend, dass rechte Organisationen und Vereinigungen vermehrt in Erscheinung treten, sagte ein Redner des Bündnisses. Der „III. Weg“ habe in Rottenburg Flyer verteilt und Aufkleber angebracht. Die Mitglieder seien in Nazistrukturen aktiv und gewaltbereit, sagte der Redner. Bisher sei der „III. Weg“ anscheinend recht unbehelligt in Rottenburg unterwegs. „Mischt euch ein, wenn ihr etwas mitbekommt“, forderte er die Demonstranten auf.

Vom Bahnhof aus zog die Demo über die Sprollstraße zum Eugen-Bolz-Platz. Nur wenige Menschen schenkten dem Zug Beachtung. Einige Anwohner lugten aus Hinterhöfen oder Fenstern. Eine Gruppe Einwanderer applaudierte. Mit der Presse sprechen wollten sie nicht.

„Frieden schaffen – Ohne Waffen, Flower Power“, „Scheiße war schon immer braun“ und „Gegen Sexismus, Homophobie und Antisemitismus“ war auf Transparenten und Pappschildern zu lesen. „Refugees are welcome here“ und „Nationalismus raus aus den Köpfen“ skandierte die Menge.

Auf dem Eugen-Bolz-Platz sprach eine Vertreterin der „Emanzipatorischen Linken“ aus Tübingen. Der gesellschaftliche Diskurs gehe immer weiter nach rechts, sagte sie. „Die rechts von Merkel stehen, schließen sich zusammen.“ In anderen europäischen Ländern seien schon länger rechte Parteien aktiv.

Die Antifa Tübingen/Reutlingen richtete ihren Protest gegen den Rottenburger Kopp-Verlag. Dieser vertreibe Bücher mit „eindeutig rechtem Inhalt“ und ziele mit seinem umfangreichen Angebot „in die Mitte der Gesellschaft“, sagte die Rednerin. Der Kopp-Verlag sei das Leitmedium der Flüchtlingsfeinde. Dann ging es über den Marktplatz und die Obere Brücke zurück auf die Ehinger Seite.

Rund 20 Polizisten begleiteten die Demonstration. Sie waren wenig gefordert, bis die Demonstranten wieder am Bahnhof ankamen. Die Kundgebung war offiziell schon beendet, als sich 70 Demonstranten vor einem Haus, an dem zahlreiche Deutschlandfahnen hängen, versammelten und antifaschistische Parolen riefen. Der Bewohner trank im Garten Kaffee.

Acht Bereitschaftspolizisten postierten sich entlang des Grundstücks. Ein Passant rief den Demonstranten zu: „Ihr wisst doch gar nicht, ob er ein Nazi ist.“ Dann zückte er sein Handy und sagte zu einem Mann neben sich: „Komm, jetzt marschieren wir auch auf.“ Es blieb bei der Drohung.

Die verbliebenen Demonstranten gingen zur Josef-Eberle-Brücke. Dort wurde eine schon für das Neckarfest angekündigte „Kunstaktion“ nachgeholt: ein Floß mit Banner „gegen die Festung Europa und ihre Fans“.

Online: weitere Fotos auf www.tagblatt.de

Mit Sonnenbrillen und Seifenblasen zogen 250 am Samstag durch Rottenburg