Neuer Sound für alten Film

Mathias Rehfeldt komponierte auf der Orgel im Weggental Musik für einen Stummfilm

Mathias Rehfeldt spielte in der Weggentalkirche Musik für den Stummfilm „Der Galiläer“ ein. Seine Improvisation auf Jann-Orgel, Synthesizer und Drum-Pad wird eine von sechs Filmmusiken sein, die mit dem Film auf einer DVD im Herbst veröffentlicht werden.

27.04.2016

Von Dunja Bernhard

In der Weggentalkirche: Mathias Rehfeldt verbindet bei der Musik für den Stummfilm „Der Galiläer“ Orgelmusik mit elektronischen Klängen. Bild: Bernhard

In der Weggentalkirche: Mathias Rehfeldt verbindet bei der Musik für den Stummfilm „Der Galiläer“ Orgelmusik mit elektronischen Klängen. Bild: Bernhard

Rottenburg. Synthesizer, Drum-Pad, Midicontroller und Laptop hatte Mathias Rehfeldt um den Orgeltisch der Jann-Orgel aufgebaut. Neben der elektronischen Aufnahme fingen vier über den Kirchenraum verteilte Mikrofone den Klang ein. Sechs Stunden hatte er Zeit, Musik für den 1921 gedrehten Stummfilm „Der Galiläer“ einzuspielen. In dieser Zeit blieb die Weggentalkirche für den Publikumsverkehr geschlossen.

In seiner Improvisation, die Rehfeldt bei laufendem Film Akt für Akt aufnahm, mischte er Orgelmusik mit elektronischen Klängen. Er wolle eine Brücke schlagen zwischen Jahrhunderte alter Tradition und neuen Klangmöglichkeiten, sagt er. Der 29-jährige Sohn des früheren Domorganisten Wolfram Rehfeldt hat Kirchenmusik in Rottenburg und Tübingen und Filmmusik in München studiert. Diese beiden Musikrichtungen seien gar nicht so weit auseinander, sagt Rehfeldt. Schon früh habe er in seine Orgelimprovisationen Filmmusiken eingebaut. Als er als Austauschstudent der Rottenburger Hochschule für Kirchenmusik im US-amerikanischen Valparaiso war, habe er das erste Mal zu einem Stummfilm Orgel gespielt. „Ich habe noch nie so viel Spaß bei einem Orgelkonzert gehabt“, sagt er. Da habe er gewusst, dass Filmmusik für ihn das richtige ist. „Für Technik habe ich mich schon immer interessiert.“ Rehfeldt lebt in München und komponiert als Freiberufler hauptsächlich Musik für Werbefilme und Dokumentationen.

Als kleiner Junge schlief er hinter der Orgel

Mit der Filmmusik zu „Der Galiläer“ möchte Mathias Rehfeldt gegen das angestaubte Image der Orgel arbeiten und zugleich die Elektronik „als seinen Weg“ dazu nehmen. „Durch meinen Vater habe ich eine sehr persönliche Beziehung zu Orgelmusik“, sagt er. Als kleiner Junge habe er sogar hinter der Orgel geschlafen, wenn sein Vater darauf spielte. An der Jann-Orgel fasziniert ihn das vielfältige Spektrum der Klangfarben. Ganz begeistert sei er von dem weichen Klang der Oboenpfeifen, erzählt er und gibt auch gleich eine Kostprobe.

Notenmaterial hat Rehfeldt nicht dabei. Er habe sich den Film schon mehrmals angeguckt und Themen, die zu verschiedenen Personen oder Handlungssträngen passen könnten, im Kopf. „Ich versuche mich durch den Film durchzuerklären“, sagt er. Einige Sachen im Hintergrund seien ihm erst bei mehrmaligem Anschauen aufgefallen. Auf sie möchte er die Zuschauer aufmerksam machen.

Warum werden neue Filmmusiken zu fast einhundert Jahren alten Stummfilmen eingespielt? Die Originalkompositionen seien im Stil eines Richard Wagners gewesen, sagt Rehfeldt. Die Tonebene habe die Bildebene verdoppelt. Zog der Schauspieler die Augenbrauen hoch, erklang dazu eine ansteigende Tonfolge, erklärt er. Der Ansatz sei heute komplett anders. Da gehe es um Dramaturgie und Klangästhetik.

In den USA erlebten Stummfilme schon seit einigen Jahren eine Renaissance, sagt Rehfeldt. „Die Welle schwappt jetzt hier rüber.“ Stummfilm und Orgelimprovisation habe sich zu einem internationalen Thema entwickelt, sagt der Horber Musiker Michael Grüber. Er hat das Projekt initiiert und plant eine ganze Reihe mit Orgelmusik zu Stummfilmen. Die Orgel muss aus ihrer Nische herausrücken, sagt er. Zu klassischen Orgelkonzerten kämen immer weniger Zuhörer. „Bei Stummfilmvorführungen mit live dazu gespielter Orgelmusik aber sind die Kirchen voll.“

Erste Stummfilm-DVD mit Orgelimprovisationen

Das Problem seien die Filmrechte, die meist bei großen Konzernen lägen und in die USA oder nach Japan verkauft werden. Die Rechte an dem Film „Der Galiläer“, der den Leidensweg Jesu aufzeigt, hat das katholische Filmwerk in Frankfurt. Als er beim Geschäftsführer Harald Hackenberg anfragte, habe der gesagt: „Da warte ich schon seit Jahren drauf“, erzählt Grüber.

Die DVD ist ein Gemeinschaftsprojekt. Es werde die erste DVD eines Stummfilms mit Orgelimprovisation sein, sagt Grüber. Bei der Filmmusik können die Zuschauer unter mehreren Variationen wählen. Neben Rehfeldt werden unter anderem die Pariser Organisten Baptist-Florian Marle-Ouvrard und Frederic Blanc Improvisationen einspielen. Der Zuschauer könne dann zwischen den verschiedenen Musiken hin- und herschalten, schwärmt Grüber.

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Erstellt:
27.04.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 54sec
zuletzt aktualisiert: 27.04.2016, 01:00 Uhr

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