300 Mädchen schmolzen in der Festhalle dahin

Mario Novembre, Keanu Rapp und andere Internetstars kamen nach Rottenburg

300 Mädchen und ein paar Jungs kamen in die Rottenburger Festhalle, um ihre „Internetstars Live“ zu erleben und zu fotografieren.

26.03.2017

Von Dunja Bernhard

Zwei Dutzend Mädchen kreischen, gut 50 Hände gehen hoch. Was ist passiert? Mario Novembre ist auf einen Stuhl gestiegen, dreht seinen Fans den Rücken zu und knipst ein Selfie. Einer der jungen Frauen schlägt das Herz bis zum Hals, denn es ist ihr Handy, das der schmächtige Jugendliche in der Hand hält. Kurz darauf drückt sie es an ihr Herz: Ein Bild von Mario Novembre auf ihren Handy!

Mario wer? „Novembre mit R, E“ hatten mir vier Mädchen und ein Junge schon morgens um 10 Uhr vor der Festhalle erklärt – fünf Stunden vor dem Einlass. Der habe doch am Video Vision Song Contest teilgenommen und einen Plattenvertrag bekommen. Ach ja, stimmt.

Aus Karlsruhe angereist

„Wir wollen als erste drin sein“, sagte Katharina. Die 16-Jährige war mit der Bahn aus Stuttgart gekommen. Karim, 15, war sogar aus Karlsruhe angereist. Mit „Internet Stars Stuttgart“ hatte der österreichische Veranstalter das Event beworben. „Wir wussten nicht, dass Rottenburg so weit von Stuttgart entfernt liegt“, sagt Daniel Happacher von der Event-Agentur.

Die Jugendlichen wollten ihre Stars endlich mal live erleben, und nicht nur auf dem Display: Leon Pelz, Lucanoel, Ana Lisa Kohler und Keanu Rapp. Ich kannte sie alle nicht. Bis gestern. Aber ich gehöre wohl auch nicht zur Zielgruppe dieser neuen Stars. Deren Berühmtheit bemisst sich an Followern, Likes und Seiten-Aufrufen. In der Musikbranche jenseits des Internets muss er sich erst noch durchsetzen.

Selfies mit den Stars

Ich bitte Payton.R um eine Autogrammkarte. Eigentlich nur, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie ist eine der wenigen Stars, vor deren Autogrammtisch sich kein Menschenpulk gebildet hat. Aber eine 12-Jährige schenkte ihr einen riesigen weißen Teddybären. „Das war so süß“, sagt Payton.

Weitere Fans kommen zu dem Tisch der 17-Jährigen mit den langen blonden Haaren. Umarmen, ein Selfie mit dem Fan knipsen, eine Autogrammkarte beschriften. 100 Mal? 200 Mal an diesem Nachmittag? Bei Mario, Keanu, Nona und Brenda Black dürften es noch einige mehr sein.

Brenda ist bei der neuen Staffel von „Germans Next Top Model“ dabei. Die bildhübsche, langgewachsene Berlinerin gibt sich publikumsnah. Sie posiert mit Fans im Foyer und spricht sogar eine Nachricht aufs Handy, für eine Freundin, die nicht dabei sein kann.

Mindestens 30 Euro kostete der Eintritt. Für ein VIP-Bändel waren 20 Euro mehr fällig. Mit 600 bis 700 Besuchern rechnete Veranstalter Happacher. Bei der Live-Show am Abend sind es gut die Hälfte. 90 Prozent der Fans sind Mädchen, die meisten dürften zwischen 13 und 16 Jahre alt sein.

Die Headliner des Events waren gesetzt. Weniger bekannte Internetstars mussten sich bewerben. „Die Mischung macht’s“, sagt Happacher. Auch Newcomer bekamen eine Chance. Die Künstler bedienen verschiedene Bereiche: Musik, Video, Lifestyle, Beauty oder Fashion.

Alle dürfen am Abend auf die Bühne. Die weniger bekannten Jugendlichen treten als Teams auf. Sie machen Selfies von der Bühne herab, mit den Zuschauern im Hintergrund. Weiteres Material für ihre Internetkanäle.

Mario Novembre in beige

Die Fans wollen vor allem einen dort oben sehen: Mario. Doch sie müssen sich gedulden. Mike Leon, Lukas Oscar Janisch und Keanu Rapp kommen vor dem Topstar auf die Bühne: Der Softie, der Intellektuelle mit der starken Stimme und der Coole, der zum Rappen Multikulti-Freunde mitbringt. Jeder hat ein anderes Markenzeichen.

Dann endlich kommt er: Mario. Fast unscheinbar in beigem T-Shirt – wären da nicht zwei Rosenblüten auf die Schultern gedruckt. Die Mädchen kreischen. Zum Glück stehen sie dicht gedrängt vor der Bühne. So kann zumindest niemand umfallen. Schüchtern lächelnd nimmt Mario die Gitarre. Er singt die ersten Wörter. Es geht um Liebe, um was auch sonst. Die Handys gehen hoch. Flimmernde Blitze. Verzückte Blicke.

Was die Jugendlichen zeigen, ist längst nicht alles selbst gemacht. Einige sind mit professionellen Künstlerbetreuern unterwegs. Der Berliner Mario Schmidt ist einer von ihnen. In Rottenburg betreute er acht junge Frauen. Wie viele Follower sie auf welchem Kanal haben, weiß er auswendig.

Wieder zuhause am PC, melde ich mich bei Instagram an. Und gebe „Payton.R“ ein. Sie hat 63 000 Abonnenten. Das sind mehr als bei Brenda Black. Vielleicht hat Payton.R bloß noch keiner entdeckt.

Hoffentlich ist noch genug Platz auf der Speicherkarte: Fans in der Rottenburger Festhalle. Bilder: Bernhard

Hoffentlich ist noch genug Platz auf der Speicherkarte: Fans in der Rottenburger Festhalle. Bilder: Bernhard