Generalsekretär des Club of Rome im Audimax

Man sollte Kinderlosen Prämien zahlen

Der Generalsekretär des Club of Rome plädierte am Dienstag im überfüllten Audimax auch für kürzere Arbeitszeiten.

16.12.2016

Von Philipp Koebnik

Graeme Maxton, Generalsekretär des Club of Rome. Bild: Metz

Graeme Maxton, Generalsekretär des Club of Rome. Bild: Metz

Alle 380 Sitze des Audimax waren am Dienstag besetzt, und auch auf den Treppen saßen Dutzende Zuhörerinnen und Zuhörer. Der Grund für den großen Andrang: Graeme Maxton, Generalsekretär des Club of Rome, sprach über die Grenzen des Wachstums und Perspektiven für ein nachhaltiges Wirtschaftssystem.

„Die Grenzen des Wachstums“: So hieß ein 1972 veröffentlichter Bericht des Club of Rome, eines Zusammenschlusses von Experten unterschiedlicher Disziplinen aus mehr als 30 Ländern. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Entwicklung und den Schutz der Ökosysteme ein. In ihrem Bericht legte sie seinerzeit dar, dass das herrschende Wirtschaftssystem langfristig zum ökologischen Kollaps führe.

Die Prognosen des Clubs hätten sich bewahrheitet, sagte Maxton, der seinen Vortrag auf Englisch hielt. Mittlerweile lebe die Menschheit, als ob sie anderthalb Planeten zur Verfügung hätte, so sehr würden die natürlichen Ressourcen beansprucht. Über die Ursache dieser problematischen Entwicklung ließ er keinen Zweifel: „Es ist unser Wirtschaftssystem, das auf kontinuierlichem Wachstum beruht.“ Auch der Zusammenhang von Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und dem Klimawandel sei offenkundig, so der britische Ökonom.

Im Zentrum der Kritik steht also heute wie vor über 40 Jahren das Wachstum. Und der Wachstumswahn. So räumte Maxton mit einigen „Mythen“ über das Wachstum auf, die von den meisten Politikern gebetsmühlenartig wiederholt würden. Etwa, dass es zu mehr Jobs führe oder die Armut senke. Das Gegenteil sei der Fall: „Trotz Wachstum ist die Arbeitslosigkeit in den entwickelten Ländern gestiegen.“ Desgleichen habe sich die soziale Ungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten stetig erhöht – national ebenso wie global.

Die Folgen des Klimawandels drohten weltweit zu massiven Kosten, Umweltschäden und sozialen Verwerfungen zu führen. Eine radikale Umkehr sei nötig. Zwar werde es lange dauern, die Klimagase wieder aus der Atmosphäre zu holen – denn, so scherzte er, „wir haben dafür keine Technologie außer Bäume“. Zumindest sei der Prozess zu bremsen. „Wir brauchen eine andere, langfristige Denkweise“, so Maxton. Dabei verschränkten sich ökologische und soziale Fragen.

Was also tun? Da eine Revolution nicht funktioniere, Nichtstun aber letztlich in die Katastrophe führe, lautet Maxtons Vorschlag: „Ein sukzessiver Übergang, ohne alles noch schlimmer zu machen.“ Den Schritten, die dazu nötig seien, stünden jedoch mächtige wirtschaftliche Interessen entgegen. Einfach werde es mithin nicht, bremste der 56-Jährige jeden voreiligen Optimismus.

Nötig sei etwa, die Jahresarbeitszeit für alle zu verringern – zunächst über zwei zusätzliche gesetzliche Urlaubstage – sowie Reiche und Unternehmen stärker zu besteuern. Umgekehrt sollten Arbeitslose mehr Geld erhalten als heute. Fossile Brennstoffe müssten zusätzlich besteuert werden und der Außenhandel solle, wenn nötig, eingeschränkt werden. Ausführlicher beschrieben sind die Vorschläge in dem Buch „Reinventing Prosperity“, das Maxton gemeinsam mit dem Norweger Jorgen Randers geschrieben hat. Dieser neue Bericht des Club of Rome erschien im September.

Darin findet sich ein weiterer, besonders umstrittener Vorschlag. So sollten Frauen, die bis zum 50. Lebensjahr höchstens ein Kind bekommen haben, eine Prämie von 80 000 Euro erhalten. Dadurch solle das Bevölkerungswachstum gebremst und somit der „ökologische Fußabdruck“ der Menschheit verringert werden – also die Fläche auf der Erde, die notwendig ist, um einen bestimmten Lebensstandard dauerhaft zu ermöglichen. Längst sei aber bewiesen, hielt ein junger Mann aus dem Publikum dem Ökonomen vor, dass die Geburtenrate dort zurückgehe, wo Frauen Bildung und Rechte genießen. Frauenrechte seien zweifellos wichtig, sagte Maxton. Aber es handle sich dabei um keine existenzielle Frage.

Zu der Veranstaltung eingeladen hatte die Gruppe Rethinking Economics zusammen mit dem Weltethos-Institut und der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät.

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Erstellt:
16.12.2016, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 49sec
zuletzt aktualisiert: 16.12.2016, 01:00 Uhr

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