Tübingen

Mama, kannst du für mich unterschreiben?

Ihren Ausweis bitte.“ Das Todesurteil für den Abend. Ich bin mit Kommilitonen unterwegs. Sie sind 19, 20 und 21 Jahre alt – dürfen also rein in die Disko. Ich nicht. Der Türsteher kommt auf uns zu, er checkt die Ausweise der anderen und winkt sie durch. Ich versuche mich unsichtbar zu machen und mit hineinzuschlüpfen. Aber er entdeckt mich – und fordert: „Ausweis!“

11.03.2017

Von Julius Fiedler über die Erfahrung, überall der Jüngste zu sein

In der Hoffnung, dass der Mann nicht schnell rechnen kann, zücke ich meinen Pass. 6. Mai 1999 steht als Geburtsdatum drauf. Doch der Türsteher passt auf: „Sie sind noch 17, das wird nichts heute. Bei uns erst ab 18. Sorry!“ Er siezt mich – und sagt mir gleichzeitig, dass ich noch ein Kind bin. Toll!

Ich bin 17 Jahre alt, vor dem Gesetz ein Jugendlicher. Andererseits ist mein Lebensstil schon ziemlich erwachsen, denke ich manchmal. Zum Studieren zum Beispiel lebe ich in meiner eigenen Wohnung in Köln, genau 436 Kilometer entfernt von meinem Elternhaus. (Gruß an Mama: Spülen, Putzen und Waschen macht sogar mehr Spaß, als ich dachte.)

Bis ich die Wohnung allerdings hatte, war es nicht so einfach: Um den Mietvertrag zu unterschreiben, mussten meine Eltern mit – ohne sie oder zumindest ihre Bürgschaft geht gar nichts! Aber das Problem ließ sich lösen. Anders als das bei der Bank. Da wollte ich ein Konto eröffnen – denkste. Solange die Eltern nicht leibhaftig aus Fleisch und Blut in der Bankfiliale aufkreuzen, kann man als Minderjähriger zwar Kopfstände machen, aber kein Konto anlegen.

Der Grund dafür, dass ich jetzt mit 17 alleine wohne und mit solchen Herausforderungen konfrontiert bin, liegt im Beginn meiner Schullaufbahn. Ich bin recht früh eingeschult worden, und dann gleich in die zweite Klasse. Seit der Grundschule waren meine Klassenkameraden also durchschnittlich ein bis zwei Jahre älter als ich. Nach dem Abitur ein Jahr Pause zu machen und so den Altersunterschied wenigstens beim Studium zu verringern, hat mich auch nicht gereizt. Jetzt geht es im Studium also genau so weiter. Die zwei Jahre Unterschied schaden grundsätzlich nicht, wenn man sich mit allen gut versteht. In den meisten Lebensphasen spielen sie nur eine ziemlich untergeordnete Rolle. Oder welcher 38-Jährige unterscheidet sich altermäßig groß von einem 40-Jährigen?

Aber es gibt die Phasen, in denen die zwei Jahre Unterschied bemerkbar sind. Wenn in der Schule die ersten schon mit 17 Jahren (begleitet) Auto fahren, und man selbst ist 15 und muss sich noch mit dem Fahrrad begnügen. Feiern, Partys und Alkoholkonsum gingen bei den anderen natürlich auch schon los, sobald sie 16 waren. Und man selbst war 14 und durfte noch keinen Schluck nehmen.

Die wichtigste Altersgrenze ist freilich die zur Volljährigkeit – und auf die arbeite ich gerade hin. Endlich mit den anderen feiern gehen. Endlich selbst Verträge unterschreiben. Endlich mit dem Auto mobil werden (auch wenn man das in der Millionenstadt weniger braucht). Endlich alles dürfen, so fühlt es sich zumindest an.

So vom 18-Werden schwärmen kann ich allerdings nur selten und nur, wenn ich mir wirklich mal vor Augen führe, was volljährig sein bedeutet. Die meiste Zeit nämlich spielt das Alter gar keine Rolle. Man tauscht sich aus, diskutiert und arbeitet mit allen Mitschülern und Kommilitonen auf Augenhöhe – und hat ja auch kein Schild mit „17“ oder „Baby“ auf der Stirn.

Nur an Abenden, an denen man sich vor dem Türsteher verstecken muss, da fühlt man sich klein und jung und gar nicht auf Augenhöhe mit den anderen. Aber aus Solidarität gehen die dann meistens auch nicht in die Disko, sondern mit in eine Bar. Ist zwar eigentlich auch ab 18, dort wird aber nicht kontrolliert.

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Erstellt:
11.03.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 2min 44sec
zuletzt aktualisiert: 11.03.2017, 01:00 Uhr

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