Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger

Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger

In dem märchenhaften Abenteuerfilm von Ang Lee treiben eine Junge und eine Raubkatze monatelang auf einem Rettungsboot im Ozean.

01.04.2013

Von Dorothee Hermann

Um in schwerer Seenot auch mental nicht unterzugehen, braucht es außer Schiffszwieback und Trinkwasser vor allem eins: die Fähigkeit, Geschichten zu erzählen. Pi ist darin geübt, seit er als Kind seinen nach Pisse klingenden Vornamen Piscine auf die mathematische Kreiszahl verkürzte. Das war im malerischen Pondicherry an der indischen Riviera, wo es nach der Unabhängigkeit den Fortschritt bedeutete, statt eines starren Denkmals einen Zoo einzurichten, wo die Tiere durcheinander wuseln wie in einem paradiesischen Urzustand. Schon damit erweist sich der große Regisseur Ang Lee („Der Eissturm?, „Brokeback Mountain?) als Ausnahmebegabung für 3D, wie vor ihm nur James Cameron („Avatar?).

Das stark spirituell durchsetzte Idyll (der Junge Pi ist Hindu, Christ und Moslem) endet gleich doppelt. Der Frachter nach Kanada, den die Familie samt der Zoomenagerie besteigt, kentert in wütender See. Das Bild wird dunkel, und Horizont wie Kinoleinwand erfüllt ein tosendes Spektakel existenzieller Desorientierung, aus dem sich letztlich nur Pi und der bengalische Tiger Richard Parker retten können.

Doch man nimmt dem Film die Extremsituation nie ganz ab. Sie erscheint als bloßes Gedankenspiel gleich zweifach virtuell: als literarische Fiktion des gleichnamigen Bestsellers von Yann Martel, und durch die abstrakteste aller Filmtechniken, 3D. Das schlaue Mastermind, das alles zusammenfügt, sitzt unübersehbar in der Rahmenhandlung im sicheren Montreal.

Zum ersten Mal hat Ang Lee darauf verzichtet, einen Film durch unausgesprochene Konflikte der Figuren zu strukturieren. Pi ist allein mit einer Raubkatze ? und dem Luminosen. Für die psychologische Feinzeichnung bleiben da nur die Lichtstimmungen des Meeres, ein bisschen wie Fototapete.

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