Die Biografie prägt die Haltung

Lede Abal will sich der Flüchtlings- und der Innenpolitik widmen

Der Platz ist alles andere als schön. Passanten würdigen ihn keines Blicks. Doch für Daniel Lede Abal ist er immer noch von Bedeutung: In dem Hinterhof starb der Flüchtling Kiomars Javadi vor 28 Jahren. Mit elf Jahren erfuhr Lede Abal davon, als er die Großeltern in Tübingen besuchte. Sie waren Kunden im „Pfannkuch“-Markt. Das Thema Asyl gehört zu den Schwerpunkten des Landtagsabgeordneten.

15.02.2016

Von Ute Kaiser

Tübingen. Die Ergebnisse aktueller Umfragen zeigen: Mit flüchtlingsfreundlicher Politik ist derzeit bei vielen Deutschen nicht zu punkten. Diese Frage habe sich ihm „nie gestellt“, sagt Daniel Lede Abal. Sein schon lange währendes Interesse für Themen wie Asyl und Antirassismus sei bei ihm „biografisch begründet“. Sein Vater stammt aus dem spanischen Galicien. Womöglich auch ein Grund dafür, warum der in Korntal und Ditzingen aufgewachsene 39-jährige Landtagsabgeordnete „verschiedene Blickwinkel zusammenbringen“ möchte: die der Herkunfts- und die der Aufnahmeländer.

Die Übergriffe auf Frauen in Köln haben die Diskussion verschärft. „Man könnte jetzt mit plakativen Forderungen an die Öffentlichkeit gehen“, doch er halte nichts davon. Seine Position ist eindeutig: Ihn ärgere, „wenn die Frage sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt auf Flüchtlinge und kulturelle Fragen reduziert wird“, schrieb er Mitte Januar in dieser Zeitung. Im Alltag sei er aber mit ganz anderen „konkreten Fragestellungen“ konfrontiert. Da wenden sich Helfer an ihn oder Betriebe, die Flüchtlinge beschäftigen wollen.

Das „Asylpaket II“, über das in Berlin gestritten wurde, ist aus Lede Abals Sicht „gleichzeitig eine Liberalisierung und Verschärfung“ – je nach den Gruppen, um die es geht. Dass alle Flüchtlinge mit Bleibeperspektive Integrationskurse bekommen sollen, sei hilfreich, „weil wir relativ schnell und möglichst breit die Integration voranbringen müssen“. Vom Konzept weiterer sicherer Herkunftsländer ist der Tübinger dagegen „nach wie vor nicht überzeugt“. Als Beispiel nennt er die Situation der Roma in Mazedonien.

„Auf Landesebene haben wir frühzeitig reagiert“, sagt der Grüne und verweist auf den Gipfel im Oktober 2014. Auch die Erleichterung für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt führt er auf Baden-Württemberg zurück. Fachlich sei in der Fraktion vieles über seinen Tisch gegangen, so der Grüne, der unter anderem Mitglied des Landtagsausschusses für Integration und integrationspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist.

„Kretschmanns Normalos“ titelte jüngst ein Kollege im Mantelteil dieser Zeitung über die Grünen. Darüber muss der Abgeordnete schmunzeln. Er zählt sich zum linken Flügel seiner Partei. „Die Grünen sind noch so wie sie waren“, sagt er, „aber man lernt beim Regieren, dass nicht immer alles so läuft wie gedacht.“ Obwohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann hohe Zustimmungswerte in der Bevölkerung hat und „ein Magnet“ sei, widerspreche ihm die Fraktion, „wenn wir meinen, dass es notwendig ist“. Beispielsweise in der Debatte um sichere Herkunftsländer. Allerdings werde heute vieles intern ausgetragen, was früher öffentlich debattiert worden wäre.

Eine anonyme Kennzeichnungspflicht für Polizisten steht bisher nur im grün-roten Koalitionsvertrag. Lede Abal war einer der acht Grünen, die ihn ausgehandelt haben. Die Grünen-Fraktion hätte das „gerne umgesetzt“. Hier baut Lede Abal auf eine weitere grün-rote Regierung.

Manche sagen, selbst wenn die Grünen in Tübingen einen Besenstiel aufstellten, würde der gewählt. „Ich habe nicht die Statur eines Besenstiels“, kontert Lede Abal die Attacke mit dem trockenen Humor, den Freunde an ihm mögen. Große Worte, um Schlagzeilen zu provozieren, sind nicht sein Stil. „Mir geht es um die Sache“, sagt der Abgeordnete, der sich als Pragmatiker versteht.

Kinderbetreuung und Zukunft der Gymnasien

Nüchtern benennt der Kandidat, was er für Erfolge der Regierung hält – etwa den „Pakt mit den Kommunen“ in der Kinderbetreuung. Dazu müsse in der nächsten Legislaturperiode die Qualitätssteigerung durch den verbindlichen Orientierungsplan kommen. Der Kinderbetreuung ist seine sechsjährige Tochter bald entwachsen. Aktuell ist die angehende Grundschülerin in einer besonderen Situation. Auf Wahlplakaten kann sie ihren Vater und ihren Großonkel sehen: Bernhard Strasdeit kandidiert für die Linken.

Als Erfolge wertet Lede Abal auch, dass die Studiengebühren abgeschafft, die verfasste Studierendenschaft eingeführt und die Lehramtsstudiengänge reformiert worden sind. „Tübingen ist mit rund 2500 Studierenden einer der größten Ausbildungsstandorte“, sagt der Lehrersohn, der hier von 1996 an Deutsch, Politikwissenschaft und Spanisch fürs Lehramt studierte. Er hat keinen Abschluss gemacht, sondern wurde Weinhändler. „Lehrer werde ich nicht mehr“, so der Abgeordnete, der sich gern mehr der Innenpolitik widmen würde, seinen Schwerpunkten aber verbunden bleiben will.

Zu den Pluspunkten von Grün-Rot zählt aus seiner Sicht auch die Schulentwicklung. Wenn er wieder gewählt werden sollte, will er sich für eine eigenständige Oberstufe an Gemeinschaftsschulen einsetzen. Eine Aufgabe der nächsten Jahre sieht er auch in der Weiterentwicklung der Gymnasien, die keineswegs ihre Eigenständigkeit aufgeben sollten.

Was macht er am 14. März? Auch diese Frage bringt Lede Abal nicht aus der Ruhe. Da werde er bei der Sitzung des Grünen-Landesvorstands sein, dem er seit Oktober vergangenen Jahres angehört. Sollte er nicht mehr Abgeordneter werden, wäre es auch „eine Option“, in die Weinhandlung zurückzukehren. Immer wieder vor Weihnachten hat der Tübinger dort ausgeholfen – „um auf dem Laufenden zu bleiben“.

Im Video auf www.tagblatt.de verrät Daniel Lede Abal seinen größten Anfängerfehler als Landtagsabgeordneter.

Wohlfühlorte sehen anders aus. Doch Daniel Lede Abal hat den Hof hinter der ehemaligen „Pfannkuch“-Filiale bei der Eberhard-Brücke bewusst fürs Foto gewählt. Dort starb im August 1987 der iranische Asylsuchende Kiomars Javadi. Angestellte hatten den vermeintlichen Ladendieb im Schwitzkasten festgehalten und auf seiner Brust gekniet. Das hatte den Landtagsabgeordneten als Kind sehr geschockt und dazu gebracht, sich schon früh für Politik zu interessieren. Bild: Metz

Wohlfühlorte sehen anders aus. Doch Daniel Lede Abal hat den Hof hinter der ehemaligen „Pfannkuch“-Filiale bei der Eberhard-Brücke bewusst fürs Foto gewählt. Dort starb im August 1987 der iranische Asylsuchende Kiomars Javadi. Angestellte hatten den vermeintlichen Ladendieb im Schwitzkasten festgehalten und auf seiner Brust gekniet. Das hatte den Landtagsabgeordneten als Kind sehr geschockt und dazu gebracht, sich schon früh für Politik zu interessieren. Bild: Metz

Lede Abal will sich der Flüchtlings- und der Innenpolitik widmen

Kandidaten zur Landtagswahl (1): Daniel Lede Abal, Grüne

1976 in Stuttgart geboren, wuchs Daniel Lede Abal dort, in Korntal und Ditzingen auf.

1995 machte er Abitur, anschließend Zivildienst in einer Behinderteneinrichtung. 1996 kam er zum Lehramtsstudium nach Tübingen. Das schloss er nicht ab, sondern wurde Weinhändler.

Politisiert wurde der Landtagsabgeordnete erstmals 1987 durch den Tod von Kiomars Javadi. Später stand Lede Abal eine Zeitlang den Jungdemokraten nahe. Themen wie Bürgerrechte, Asyl, Daten- und Verbraucherschutz brachten ihn zu den Grünen. 1988 trat er dann der Partei bei.

Seit der Landtagswahl 2011 ist Lede Abal Abgeordneter. Er gewann das Tübinger Direktmandat mit nur 21 Stimmen Vorsprung vor Lisa Federle (CDU).