Landwirt gegen Bodenpiloten

Luftiger Nachbarschaftsstreit über den Rottenburger Feldern

Manfred Jauß vom Kalkweiler Hof in Rottenburg: „Als die Flieger kamen, haben die Pferde auf der Koppel gesponnen.“ Claus Blesch vom Modellsportverein: „Wir fliegen da gar nicht“.

25.08.2017

Von Hete Henning

Das nicht genehmigte Schild in der Wiese von Manfred Jauß zeigt, wo Schluss ist. Der Modellflugplatz ist dort, wo der Schotterweg am Waldrand hinten im Bild verschwindet. Bild: Henning

Das nicht genehmigte Schild in der Wiese von Manfred Jauß zeigt, wo Schluss ist. Der Modellflugplatz ist dort, wo der Schotterweg am Waldrand hinten im Bild verschwindet. Bild: Henning

Morgens um 10 ist es still am Kalkweiler Hof. Gelegentlich fährt auf der Kreisstraße ein Auto vorbei, runter ins Neckartal oder die Steige hoch nach Remmingsheim. Ein paar hundert Meter weiter pflügt ein Bauer seinen Stoppelacker. Am Himmel ruft ein Bussard, und in Manfred Jauß gärt es. Nicht wegen des Vogels freilich, sondern wegen des Modellsportvereins, der seit gut einem Jahr zu seinen Nachbarn gehört.

Im Gewann „Telle“ auf einer Wiese am Waldrand etwa 900 Meter vom Kalkweiler Hof entfernt legte der Modellsportverein 2016 seinen neuen Flugplatz an. Seine alte Heimat im Neckartal zwischen Rottenburg, Wurmlingen und Kiebingen hatte er wegen des Kiebitzprojekts Ende 2011 verlassen müssen. 70 Mitglieder habe der Verein, sagt dessen Vorsitzender Claus Blesch. 25 davon ließen regelmäßig ihre unbemannten Segelflieger und Motorflieger am Himmel kreisen.

400 Meter Radius sind erlaubt

Manfred Jauß, der früher mal Klauenpfleger war, betreibt auf dem Kalkweiler Hof einen Pensionsstall. Pferdebesitzer stellen dort ihre Rösser ein. Jauß versorgt sie und lässt sich dafür bezahlen. Sechs Pferde sind es im Moment, Warmblüter, Haflinger, Isländer. Auf die Koppel am Hof möge er die Tiere nicht mehr stellen, sagt der Nebenerwerbslandwirt. Da seien Modellflieger drüber geflogen, und die Pferde hätten gesponnen. „Die sind rumgerannt wie blöd.“

Besagte Koppel liegt weit außerhalb des Bereichs, in dem die Flieger ihre Schleifen ziehen dürfen. Der genehmigte Radius nach Norden und Osten beträgt vom Flugplatzmittelpunkt 400 Meter. Nach Süden geht wegen des Waldrands gar nichts, und im Westen ist wegen der nächsten Waldkante nach 300 Metern Schluss.

Daran hielten sich die Bodenpiloten aber nicht, sagt Jauß. Er habe auch schon Flieger über seinem Haus und jenseits der Kreisstraße gesehen. „Die denken halt, die sind so schnell, dass das keiner sieht.“ Um seinem Zorn Luft zu machen, hat der 55-Jährige vor einigen Wochen ein großes Schild auf einer seiner Wiesen am Schotterweg zum Modellflugplatz aufgestellt. „Hier endet der Flugsektor, Ihr Umweltschänder“ steht darauf. Dazu hat er ein Verbotsschild mit einem Flugzeug gemalt. Vier, fünf Tage später sei Markus Braun vom Ordnungsamt gekommen und habe ihn gebeten, das Schild zu entfernen. Jauß lässt sich aber Zeit damit. Demnächst will er die Wiese mähen, dann braucht er auch den Hänger. „Dann kommt das Teil weg.“

Er wolle nichts Unrechtes, betont Jauß, „ich möcht’ bloß, dass die da fliegen, wo sie dürfen“. Die Pferde seien Teil seines Einkommens. Wenn er sie auf seiner Hauskoppel nicht mehr weiden lasse könne, habe er Einbußen. Im Moment stehen die Pferde auf einer Weide in Richtung „Äuble“. „Da muss ich Wasser, Stroh und alles rüberfahren.“

Der Modellflieger-Vorsitzende Claus Blesch bestreitet die Vorwürfe vehement. „Der Flugsektor wird von uns eingehalten“, sagt er. „Wir haben fünf Jahre gebraucht, bis wir ein neues Gelände hatten.“ Der Platz habe das Zulassungsverfahren durchlaufen, er sei naturschutzrechtlich abgesegnet und der Verein habe die als Ausgleich verlangten zwei Nistkästen für Spechte und zwei Fledermaushöhlen in Seebronn aufgehängt. Das Regierungspräsidium (RP) Tübingen habe die Aufstiegserlaubnis erteilt.

Vielleicht 50 Zentimeter drüber

„Wir sind nie und nimmer über die Koppel von Herrn Jauß geflogen“, sagt Blesch. Die sei 900 Meter vom Flugplatz entfernt – so weit, dass man die Segler mit ihrer Spannweite von maximal sechs Metern vom Boden kaum noch sehen und auch nicht mehr kontrollieren könne. „Wir fliegen da gar nicht.“

Nachdem Jauß dem RP die ersten angeblichen Überschreitungen des Flugsektors gemeldet hatte, habe der Verein Probeflüge gemacht, um sich mit Hilfe von Beobachtern am Boden Anhaltspunkte für die unsichtbaren Grenzen einzuprägen. „Es kann sein, dass wir mal 50 Zentimeter drüber sind“, räumt Steuerberater Blesch ein. Aber über 400 Meter mehr, das könne nicht sein.

Die Fotos, die Jauß von Modellfliegern über den Baumwipfeln in der Nähe seines Hofs gemacht hat, will der Vereinsvorsitzende nicht gelten lassen. Ohne Bezugspunkt am Boden seien diese Bilder als Beweismittel wertlos.

Seit dem 1. Januar 2017 ist das RP Stuttgart als zentrale Luftfahrtbehörde des Landes zuständig für Luftverkehrs- und Luftsicherheitsaufgaben. Falls es so sei, dass Mitglieder des Rottenburger Modellsportvereins ihre Flugzeuge über den genehmigten Sektor hinaus lenkten, sei das „natürlich eine Ordnungswidrigkeit“, sagt RP-Pressereferentin Désirée Bodesheim. Jedoch: „Für uns ist es schwierig, das nachzuvollziehen.“

Der Grund: Es gibt keinen Vollzugsdienst für die Luftfahrt. Anders als im Straßenverkehr, wo man beispielsweise mit Blitzern Verkehrssünder erwischen kann, sei es im Luftverkehr in der Regel allenfalls mit gespeicherten GPS-Daten möglich, Flug-Rowdys zu überführen. „Wir wissen ja nicht, wann die fliegen“, schildert Bodesheim das Problem. „Da müssen wir da ja den ganzen Tag Leute hinstellen, die das beobachten.“

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Erstellt:
25.08.2017, 01:00 Uhr
Lesedauer: ca. 3min 24sec
zuletzt aktualisiert: 25.08.2017, 01:00 Uhr

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