Kulturphänomene

Kulturphänomene (140)

Die Kritikerin

Die Kritikerin, die männliche Form ist im Folgenden immer mitgemeint: rückte kürzlich in den Mittelpunkt, als nämlich der Hannoveraner Ballettchef einer Vertreterin ihrer Zunft ein bisschen Hundekacke seines Dackels im Gesicht verrieb.

Kulturphänomene (138)

Der Ausländer

Ja, ich gehörte noch zu denen, die einen Alten hatten. Einen alten Lappen, Führerschein. Jetzt lief er ab. Es kam in all den Jahren nicht oft vor, dass ich ihn zeigen musste. Aber es lief immer gleich ab. Der Beamte schaute das Bild an, dann mich. Und dann konnte er ein leichtes Grinsen nicht verbergen.

Kulturphänomene (137)

Jugendliche Diskriminierungsfixierung

Eine Geißel sei das gewesen, in den Achtzigern und zu Beginn der Neunziger, vor allem für die Schwulen, erinnerten sich zwei Frauen neulich. Vermutlich war Corona der Auslöser für das Gespräch gewesen. Da schaltete sich ein 18-Jähriger ein, der mitgehört hatte. Ob das jetzt nicht diskriminierend sei, sich eine Gruppe rauszupicken.

Kulturphänomene (136 )

Der Welttag

Mit am schönsten: Der Weltnudeltag (25. Oktober), 1995 von 40 internationalen Pasta-Produzenten ins Leben gerufen. Auch schön: Der Tag der Hängematte (22. Juli). Oder der Weltnettigkeitstag am 13. Dezember, aus der Taufe gehoben vom World Kindness Movement 1998. Für den Weltorgasmus-Tag am 21. Dezember gilt bislang nur die bz Berlin als Quelle. Ja, da wird jetzt sicher viel gekichert und gejuxt. Dabei ist das doch so elementar wie Brötchen. Natürlich gibt es auch einen Weltbrötchentag. Wann war der nochmal gleich?

Kulturphänomene (134)

Durchzählen

Erstes Türchen. Diesen November waren die 38. Französischen Filmtage. Letzten Samstag war die 3083. Tübinger Motette. Oder schon die 3084.? Zweites Türchen. Dies ist das 134. Kulturphänomen des Schwäbischen Tagblatts. Harry Kienzler ist in seinem Blog „Zu Hause“ bei Tag 537. Wir zählen gerne durch. Drittes Türchen. Es beruhigt, versichert und macht ein bisschen stolz. Oder neugierig: Was ist denn hinterm vierten Türchen?

Kulturphänomene (128)

Kinoerfahrungen

Out One – Noli Me Tangere, so hieß dieser Film von Jacques Rivette. Im Zug nach Berlin, am Tag der diesjährigen Filmtageeröffnung, fiel es mir wieder ein.

Kulturphänomene (127)

Staatlich geförderter Widerstand

In der aktuellen Premierenankündigung des ITZ gab ein Satz zu denken, er lautete: An opulenten Bildern und viel Musik wird es der Widerstandsshow nicht fehlen, die vom Innovationsfonds Kunst des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert wird.

Kulturphänomene (120)

Der 68er

Der 68er ist ein Doppelstratege. Einerseits ist er stolz auf damals, andererseits sind ihm seine politischen Überzeugungen von gestern etwas peinlich.

Kulturphänomene (118)

Die Rockmusik, der Tod und die Unsterblichkeit

Die Rockmusik ist in die Jahre gekommen. Und es geschieht das Unausweichliche: viele ihrer Heroen sterben. Was tut man dagegen? Man lädt zur „Grave Chapel Radio Show“! Dieter Thomas Kuhn und Rudie Blazer nahmen den Tod zahlreicher Musikgrößen zum Anlass, eine Reihe von Konzerten in einer ausrangierten Autohalle zu geben. Sie intonierten ausschließlich Titel von Musikern, die bereits verstorben sind: „Songs from above“. Und während die richtigen Kirchen immer leerer werden, mussten Kuhn und Co in einer nachgestellten Grabeskapelle ihre Radio Show gleich mehrfach aufführen, der Andrang war groß. weiterlesen

Kulturphänomene (117)

Coffee Cupping – Kaffeeprobe

Eigentlich dachte ich ja, ich würde hier lernen, wie man ein formvollendetes Blatt oder Herz auf den Cappuccino malt. Coffee Art. Aber das muss ein anderer Kurs sein. Keine Frage, das kann er auch, Eric Wolf, Deutscher Barista Meister, Deutscher Latte Art Meister. An der Theke der Primo Cafébar im Modehaus Zinser stehen sechs Tassen. Davor sechs Herren, ich bin einer davon. Die Frauen dieser Welt mögen bei den Kaffeekränzchen proportional stärker vertreten sein, die Männer sind es überall da, wo es um Spezialistentum, Kennerschaft und Fachsimpeleien geht, also dort, wo aus ganz einfachen Dingen herrlich komplizierte gemacht werden.

Kulturphänomene (122)

(Drei Jahre) Willkommenskultur

Als Angela Merkel in der Nacht vom 4. auf den 5. September 2015 aus humanitären Gründen in einem streitbaren Alleingang die Grenzen des Landes unkontrolliert öffnete und binnen weniger Tage Tausende Flüchtlinge ins Land kamen, denen bis heute insgesamt knapp eineinhalb Millionen folgten – in diesen ersten Septembertagen 2015 entstand sie: Die sogenannte Willkommenskultur.

Kulturphänomene (116)

Alles aus einem Essnapf

Essen müssen alle. Aber nicht nur was gegessen wird, sondern auch wie man die Speisen zu sich nimmt, ist in hohem Maße der Mode unterworfen. Es gab Zeiten, als jedes Restaurant, das etwas auf sich hielt, den Tellern Ecken gab. Gut, wenn man allzu lange auf Rundes gestarrt hatte, hat man sich auch wirklich etwas Eckiges und Kantiges verdient. Eckig ist aber längst wieder out, es wirkt heute, da alle zum einfachen Leben streben, so aufgesetzt wie ein eckiger Hut.

Kulturphänomene (114)

Vom Wander- und Teilbesitz

Haben Sie den Kugelschreiber, mit dem Sie soeben Ihren Einkaufszettel geschrieben haben, selbst gekauft? Oder irgendwo mitgenommen, wo er rumlag? Bei der letzten Teambesprechung? Oder neulich bei der Beratung auf der Bank? War er ein Werbegeschenk? Wo werden Sie ihn liegenlassen?

Kulturphänomene (109):

Das Büro

Das Büro ist der Ort moderner Angestelltenkultur. Seine Bedeutung geht weit über seine Funktion, also den Ort, das Gebäude oder die dort verrichtete Arbeit hinaus.

Kulturphänomene (108)

Neckarsegeln

Ein Mensch, der vor zehn Jahren zuletzt auf den Neckar blickte und es erst heute wieder täte, würde staunen. Ein Fluss ist halt nicht nur Natur, sondern in hohem Maße Kultur. Besonders an heißen Tagen, wenn der Mensch Naherholung sucht. Aber er sucht sie anders als früher.

Kulturphänomene (107)

Kühlschranklosigkeit

Heute morgen strich ich versonnen, ja zärtlich über die Arbeitsplatte meiner neuen Küche. Nein, es ist kein Porsche unter den Küchen. Es ist nur so: Ich hatte schlicht einen Monat lang keine. Abspülen in der Badewanne. Wasserholen, Nudelabgießen im Badezimmer. Immerhin konnte ich eingeschränkt kochen auf einer mobilen Platte mit zwei Kochfeldern, die ich noch hatte. weiterlesen