Aufarbeitung nach dem Messerangriff

Kritik am Sicherheitskonzept beim Reutlinger KuRT-Festival

Der mit einem Messer verletzte 17-Jährige hat die Intensivstation verlassen. Sein Vater hinterfragt nun die Kontrollen am Einlass.

17.07.2017

Von Thomas de Marco

So friedlich ist es beim KuRT-Festival am Wochenende nicht immer zugegangen. Eine Messerattacke und sexuelle Übergriffe beschäftigen nun das Team der ehrenamtlichen Veranstalter – und die Polizei. Bild: Haas

So friedlich ist es beim KuRT-Festival am Wochenende nicht immer zugegangen. Eine Messerattacke und sexuelle Übergriffe beschäftigen nun das Team der ehrenamtlichen Veranstalter – und die Polizei. Bild: Haas

Der Jugendliche, dem wie berichtet beim KuRT-Festival am Samstag mit einem Messer in den Bauch gestochen worden war, hat keine inneren Verletzungen erlitten und kann nach Angaben seines Vaters das Krankenhaus bald verlassen. „Die Ärzte sagen, er habe großes Glück gehabt, weil der Stich vom ersten und zweiten Rippenbogen aufgehalten wurde“, sagt der Vater, der aus Rücksicht auf seinen Sohn nicht namentlich genannt werden will. „Ich weiß ja nicht, was der Messerstecher für ein Typ ist.“

Definitiv kein Ausländer, habe sein Sohn gesagt. Dieser sei beim Auftritt des Rappers Eko Fresh ganz vorne an der Bühne gestanden. „Weil von hinten immer geschoben wurde, hat er sich umgedreht und wollte etwas sagen. Doch dann bekam er einen Schlag ins Gesicht und einen in den Bauch mit dem Messer“, erzählt der Vater.

Der bislang einzige Zeuge, der als Ordner im Einsatz war, berichtet dem TAGBLATT, dass er den 21-jährigen Tatverdächtigen im Auge behalten habe, bis Security-Personal kam. Erst als der renitente Jugendliche die Sicherheitsleute ebenfalls angriff, realisierte der Ordner, dass dieser ein Messer dabeihatte. „Da ist mir ganz anders geworden. Das war ein komischer Typ, entweder auf Drogen oder psychisch labil“, erklärt der Ordner, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden will, dem TAGBLATT aber bekannt ist.

Das 17-jährige Opfer, das in Ausbildung ist, wurde im Krankenhaus operiert (wir berichteten). „Die zentrale Frage ist doch: Wie kommt jemand mit so einem Messer auf das Gelände“, fragt nun der Vater. „Ich jedenfalls habe bei der Aufstiegsfeier des VfB Stuttgart ganz andere Sicherheitsmaßnahmen erlebt. Dort mussten die Menschen ihre Hosentaschen leeren und sind nicht nur abgetastet worden.“ Wenn ein Messer durch den Zaun gereicht werden könne, dann sei das kein Sicherheitskonzept. „Mein anderer Sohn und einige Kumpels haben außerdem berichtet, die Kontrollen seien lax gewesen – und am Ende wurde gar nicht mehr kontrolliert“, kritisiert der Vater.

Dem Vorwurf widerspricht Ida Wied, die Leiterin des Organisationsteams, vehement: „Das kann nicht sein! Aber so eine unauffällige Waffe kann man am Körper verstecken. Wir wollen die Leute nicht demütigen und sie ihre Schuhe ausziehen lassen.“ Das Sicherheitskonzept sei dieses Jahr von einer unabhängigen Stelle des Landes geprüft und zudem von der Stadt angenommen worden.

Zeugen der Attacke gesucht

Sie stehe in regem Kontakt mit der Polizei, weil sie selber nach Zeugen der Vorfälle suche, sagt Wied. Am Montagmorgen um 7 Uhr hatte sie ein Gespräch mit Beamten. „Ich will, dass diese Dinge aufgeklärt und geahndet werden. Unser Verein soll nicht in ein schlechtes Licht geraten.“ Die Zusammenarbeit mit der Polizei sei definitiv sehr positiv.

Das Sicherheitskonzept sei vom Organisationsteam wie besprochen umgesetzt worden, sagt Polizeisprecher Josef Hönes. Die Polizei sucht nach wie vor Zeugen zur Attacke auf den 17-Jährigen. „Bisher hat niemand gesehen, wie der 21-Jährige mit dem Messer zugestochen hat“, erklärt Hönes.

Zwei weitere Fälle von sexuellen Übergriffen

Der Fall der 23-Jährigen, die von zwei Männern festgehalten und von einem dritten begrapscht worden ist, muss neben der Messerattacke nach dem KuRT-Festival ebenfalls aufgearbeitet werden. Zudem haben sich am Montagmorgen noch einmal zwei junge Frauen wegen ähnlicher Vorfälle bei der Polizei gemeldet. „Ich kann Mädchen und jungen Frauen in so einem Fall nur raten, laut zu schreien und das nicht hinzunehmen. Auf dem Gelände sind Sicherheitsstreifen, die dann eingreifen“, sagt Ida Wied vom Organisationsteam. Der Meinung ist auch der Ordner, der den Jugendlichen mit dem Messer gestellt hat: „Hätte die junge Frau geschrien, wären die Täter gefasst worden. Aber sie ist erst einen Tag später zur Polizei gegangen.“ Ein Awareness-Team, das beim Tübinger Ract-Festival mit Erfolg zum Einsatz kam und auch nach Übergriffen hilft, werde im nächsten Jahr zusätzlich zum ehrenamtlichen Ordnungsdienst und zur professionellen Security mit dabei sein. „Dafür werde ich alles tun“, kündigt Wied an. Sie denkt an sechs Ehrenamtliche.