Langos, Crêpes, gemannte Brandeln, Hamburger, Pizza, Choco Kebab – die Futtermeile um den Rottenburger Marktplatz herum war am Schmotziga Dausteg so international wie das Publikum. Schwäbisch-alemannisch kultur-gut ist nicht mal mehr die Verwaltungsspitze der Narrenhochburg. Bürgermeister Hendrik Bednarz wohnt in Mössingen, hmm, ist aber immerhin katholisch. Braucht noch Einlernzeit, Auftakt vielversprechend. Erster Bürgermeister Thomas Weigel kommt aus Wiesloch, studierte in Kaiserslautern, hat also an der Südspitze des rheinischen Karnevals geleckt. Eins rauf mit Kappe. Stephan Neher, der noch Öbere, stammt sogar oberschwäbisch aus Bad Saulgau, wurde am Bischöflichen Konvikt in Rottweil katholisch-theologisch maßgeschliffen, in Gießen oberhessisch gestriegelt, um nun in Rottenburg zu reifen. Er ist zurecht OB, ohne Beanstandung. Na ja, fast. Ein paar Kleinigkeiten gäb’s da schon.

Die Rottenburger Straßenfasnet am Schmotzigen

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Die Drei hatten sich das Motto „Rotkäppchen“ verordnet: Neher (schwarz) war mit wallender blonder Dallas-Perücke herzallerliebst, auch Hendrik Bednarz (Sozi) gab eine schöne Blondine ab. Thomas Weigel (gemischt) hatte Beine bis zum Hals. Haben die Roten die Macht im Rathaus übernommen?

Mit schon leicht nadelnden Fichten geschmückt, wirkte das Rathausfoyer waldlich. Den bösen Wolf fanden die TAGBLATT-Berichterstatter nicht. Ulrich Marose, für den jährlichen Baumzustandsbericht zuständig, war als Keiler unterwegs. Passend zum Spruch: „Was schert’s die deutsche Eiche, wenn sich die Sau dran reibt?“

„A Kölsche Kind“ ist die Rottenburger Stadt- und Kreisrätin Sabine Kracht, wie sie jedem zur Begrüßung auf ihren Handflächen kundtat: „Kölle“ und „Alaaf“ stand auf ihren weißen (Garde-?) Handschuhen. Jeck grüßt Ahland & Co. Früher hätte so etwas für Verstimmung gesorgt. Doch bei einer Straßenfasnet, die mittlerweile mehr von Rio als von Rottweil hat, werden solche Signale mit freundlichem Lächeln empfangen.

Trotz mediterraner Temperaturen hatte gestern Mittag auch die Saalfasnet etwas zu bieten. Zum Beispiel in den Redaktionsräumen der „Rottenburger Post“. Das erste fußläufige Orchester, das halbverdurstet einschritt, war die LGZ, Lauter Große Zwuggl, früher bekannt als Landesgaszentrale. Die elf Musiker/innen priesen die Weißwürscht, die sie im Rathaus vorgefunden hatten, vermissten aber das Weißbier. Das bekamen sie – nichts ist unmöglich – bei der RoPo in Form von Sekt. Drei Sätze spielten die athletischen Klangkörper, das Soxaofon war gegen nestbauenden Zuflug mit einem Netz geschützt. Dann zog die LGZ weiter zum „Haus am Neckar“.

Schmissig und lautstark blies die Lombakapelle Knapp Danäba der RoPo den Marsch. Oder die Samba? Die rund 20-köpfige Combo vom Musikverein Wendelsheim ragt musikalisch aus der Riege der Straßenfasnetskapellen heraus, auch noch nach einigen Bechern Alkohol. „Bitte die Getränke nach hinten durchreichen“, rief ein alter Knabe im Pyjama, der nicht mehr ins RoPo-Foyer gepasst hatte und auf dem Metzelplatz sein Waschbrett riffelte. Dann war er verschwunden. Wer war das? Vermutlich ein Schwalldorfer, meinte Lombakapellen-Mitglied Florian. Hätte sich das Waschbrett etwas geduldet, wäre auch bei ihm noch ein Sekt drübergerubbelt.

Nebenan hatte die Besatzung des „Holzkrugs“ alle Hände voll zu tun: Der Wind fuhr mitunter so kräftig unters Zeltdach vor der Kneipe, dass der ganze Pavillon abzuheben drohte.

Zuverlässig wie eh und je stattete die Gruppe Locus Romanus der Redaktion einen Besuch ab, sang bekannte und weniger bekannte Raudaburger Fasnetslieder sowie ihren aktualisierten Hit „Wähle 165 auf dem Telefoo“. In dem geht es um die Stadtverwaltung, die aus Sicht von Bandleaderin und Stadträtin Erika Piscart derzeit im Geld schwimmt und baut, was das Zeug hält, aber keinen Sinn für den Baumschutz hat. Auch eine Anspielung auf den TV Rottenburg , dem der Sponsor abhanden kam, fehlte nicht.

Vorigen Sommer waren sie beim Dieter-Thomas-Kuhn-Konzert in Rottenburg und schworen sich: Dieser bunte Sinnenpfuhl sieht uns wieder. Gestern kamen sie als Chirurginnen: Caro, Nadine, Angelina, Janine, Martina und Melanie. Sie sind aus Frankfurt, Böblingen, Rottenburg und machen ihren Master an der Steinbeis-Hochschule Berlin. Ein Schaf hatten sie dabei, ein Übungsschaf. Dem brechen sie immer wieder die Beine, um neue Operationsmethoden zu üben.

„Du Idiot!“ – viel zu selten im Radio gespielt, auf Youtube 13 Millionen Mal aufgerufen: Dieser postfaktische Trennungsschlager von Michelle und Matthias Reim klirrte aus der Musikkiste der Freien Hexengruppe Rottenburg. Jessica Schenk und Henrik Junker tanzten dazu. Es wird Zeit, dass der Rottenburger Marktplatz schlurfiges Eicheparkett bekommt; gesägten Granit verlegen jetzt auch schon die Tübinger im Glauben, er sei glatt.

Die Narrenschlange vorm Römerkeller, wo am Schmotziga nachmittags die feierwütige Jugend einzukehren pflegt, schien kurz vor Eröffnung um 17 Uhr nicht ganz so lang wie sonst zu sein. Es war aber auch zu angenehm unter freiem Himmel. Die viele Sonne hatte in einigen Gesichtern Spuren hinterlassen. Von schönem Braun war der Teint einer Vierergruppe von Halbstarken mit langen Rasta-Zöpfen – das jamaikanische Bob-Team Cool Runnings!